recenseo
Texte zu Kunst und Philosophie
ISSN 1437-3777

Inhalt | Impressum

Judith Siegmund: Gute Kunst macht Sinn! Harald Lemke im Gespräch mit Judith Siegmund.

Das nachstehende Gespräch wurde im Jahr 2004 in infection manifesto auf Einladung der Herausgeberin, Frau Andrea Knobloch, geführt. Das Interview steht im thematischen Zusammenhang zum Artikel Harald Lemke: Zu einer Philosophie der Kunst jenseits der traditionellen Ästhetik.

Judith Siegmund: Deine normative Bestimmung der Kunstphilosophie fordert deren eigene Selbstreflexion zusätzlich zur Statusbestimmung künstlerischer Tätigkeit. Gleichwohl bleibt die Kunst (bei Dir die Kunstproduktion) aber das Medium, in welchem sich die Kunstphilosophie spiegeln muss, um sich über ihr eigenes Selbstverständnis klar zu werden. Inwiefern unterscheidet sich die von Dir »normativ und emanzipatorisch« genannte Kunstphilosophie von bisherigen ästhetischen Modellen in Bezug auf die Entmündigung der Kunst durch die Philosophie für eigene philosophische Zwecke?

Harald Lemke: Wenn Philosophie über Kunst nachdenkt, instrumentalisiert sie sie nicht, sondern macht sich mit ihr etwas über den eigenen Sinn und Zweck klar: denn beides sind zwei Seiten einer Medaille: der freien kulturellen Selbstreflexion der Zeit. Rede ich über Kunst, sprechen indirekt auch über Philosophie. Das beinhaltet freilich ein verändertes Selbstverständnis der Philosophie, nämlich dass sie wie Kunst eine kulturelle Selbstvergegenwärtigung ist und weniger eine Wissenschaft im akademischen Betrieb, die über bestimmte Themen, Doktrin, etc. und Lehrtätigkeit abläuft.

Doch ist richtig: hinsichtlich der normativen Bestimmung und des emanzipatorischen Anspruchs lege ich der philosophischen wie der künstlerischen (poetischen) Praxis eine Anforderung in den Mund. Das ist schlechterdings keine Entmündigung, sondern im Gegenteil, ihre mögliche Mündigkeit, d.h. freies Selbstdenken, zur Verantwortung ziehen. Nicht mehr, nicht weniger.

Judith Siegmund: Was das von Dir eingeforderte »künstlerische Verständnis der philosophischen Arbeit« betrifft, teile ich die Einschätzung von Brigitte Hilmer: »Philosophie als eine Kunst – genauer als eine Literatur- oder Textgattung zu betrachten, ist eine Möglichkeit, die als Provokation geschätzt wird, aber zu wenig an spezifischer Bestimmung der Philosophie erlauben dürfte, um die Zunft auf Dauer zu befriedigen.«(1) Die Forderung nach einem »künstlerischen Verständnis philosophischer Arbeit« setzt einen Begriff von Kunst und Kunstproduktion bereits voraus. Wenn dieser aber erst noch zu klärender Gegenstand der Kunstphilosophie sein soll, ergibt sich daraus eine Zirkelstruktur. Eine Klärung des Begriffs der Kunst auf einer Metaebene würde vermutlich als nicht mehr künstlerisch gelten. Würde sie aber als solche angesehen, ergäbe sich dann die Frage danach, was Philosophie vor der Kunst noch auszeichnet.

Wie bestimmst Du also das »künstlerische Verständnis philosophischer Arbeit«, wenn sich daraus oben beschriebene Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Kunst und Philosophie ergeben?

Harald Lemke: Richtig ist, dass das Verhältnis insbesondere von der Philosophie zur Kunst seit je von einem Abgrenzungs- und meistenteils auch von einem Entwertungsbedürfnis geprägt war. Wenn ich ein künstlerisches Verständnis der philosophischen Arbeit gutheiße, dann sicherlich nicht in dem Verlangen, die »Zunft auf Dauer zu befriedigen» zu wollen. Vielleicht muss man nicht unnötig rigoros sein, aber mir scheint doch einiges dafür zu sprechen, dass ein künstlerisches Philosophieren momentan in der Universität kaum möglich ist. Damit will ich nicht primär den akademischen Betrieb in Frage stelle. Bei aller Notwendigkeit der Strukturverbesserung und einer gründlich erneuerten Hochschulpolitik (hier wäre einiges anzuknüpfen) handelt es sich dabei um eine Ausbildungsstätte, in der Handwerkliches gelernt werden könnte, wie ja auch in den künstlerischen Hochschulen. Und wie in diesen Anstalten nicht die gesellschaftlichen Orte der Kunstproduktion sind, so auch die philosophischen Seminare nicht die des freien Denkens – aber sicherlich können, wenn alles gut geht, Veranstaltungen eine Propädeutik dazu sein. Es sind schlicht zweierlei Dinge, die nur manchmal zusammenkommen(2), ob ich Hochschuldozentin bin und bestimmte Grundlagen in Form von bestimmten Inhalte, Techniken, etc. vermittle (die ganz unentbehrlich sind, gleichsam als Eichung und minimale Horizontverschmelzung, damit nicht das reine Chaos der Stimmen, das Rauschen der Diskurse herrscht). Diese Tätigkeit beinhaltet ihre eigene Anforderungen und es wäre schön, wenn die Dozenten dies mehr beherzigen würde, wenn sie denn diese Lehrtätigkeit machen wollen. Eine andere Sache ist es, zu forschen bzw. frei künstlerische, inhaltliche Projekte zu erarbeiten (‹Kunstwerke› produzieren, Bücher schreiben, Stücke oder Songs einüben, etc.) und sich damit an ein erhofftes Publikum zu wenden, um es einer öffentlichen Auseinandersetzung zugänglich zu machen, um rezipiert, verstanden und – Beachtung zu finden.

Diese freie Produktion ist das, was ich in einem formalen Sinne die künstlerische Arbeit der Philosophie bezeichne, und insofern von Formen ihrer Lehrtätigkeit abgrenzen würde. Dies gilt also für Kunst wie auch für Philosophie. Darüber hinaus ähnelt sich die inhaltliche Art der kreativer Arbeit, das freie, thematische Produzieren, in Kunst und Philosophie. Hier ist nicht der Unterschied beispielsweise zwischen Buchschreiben oder Videoschneiden gemeint, sondern der methodische Ablauf von Anfangsidee, Gliederung des Konzepts, Konkretion, Korrektur, noch mal Korrigieren, Konzipieren, etc. Jeder Sachkundige kennt diese Abläufe. Sie machen den (oft) beschwerlichen Teil, ‹die Arbeit› des Sinnmachens, aus. Auch hier bestätigt sich die Verwandtschaft von Philosophie und Kunst (und etlichen anderen kreativen Tätigkeiten), und nicht ihr Unterschied. Darin ist auch nichts problematisch und auch nichts Zirkuläres, wenn man sich darüber verständigt hat, das die beiden genannten (formalen wie inhaltlichen) Momente das künstlerische Selbstverständnis philosophischer Arbeit meint. – und die normativ-emanzipatorische Bestimmung von Kunst und Philosophie als kulturelle Praktiken der gesellschaftlichen Selbstvergegenwärtigung (s.o.) –

Ein letzter, vielleicht der heikelste Punkt, den du ansprichst. Man kann sich fragen, ob die Tatsache, dass Philosophie über die Kunst und sich bezüglich deren Sinn und Zweck nachdenkt, etwas ist, worin sie ihr voraus ist; was Philosophie gegenüber der Kunst als Höheres auszeichnet. Ich denke, dem ist nicht so. Es ist zwar eine genuine Möglichkeit der Philosophie, solche Fragen zu behandeln, weil ‹Philosophie› mitunter nichts anderes ist als solche Fragen zu behandeln. Wenn es aber stimmen sollte, dass ein wahres philosophisches Verständnis von Kunst und Philosophie darin besteht, dass sie beide ähnliche, aber nicht identische Praxisformen kultureller Selbstvergegenwärtigung sind, dann kann dies ohne weiteres auch das philosophische Selbstverständnis künstlerischer Tätigkeit meinen. Dasselbe gilt für das Philosophieren. Darüber hinaus erschöpft sich die philosophische Gegenwartsreflexion auch nicht in der inhaltlichen Verortung des Sinns und Zwecks des geistigen Tätigseins; sie ist ein wichtiges, weil grundsätzliches Thema, aber eben doch nur eines, mit dem sich das wahre philosophische Denken beschäftigt.

Judith Siegmund: Warum bezweckt Kunstphilosophie die »kritische Selbstvergegenwärtigung von Kunst«? Und worin besteht in dieser Beschreibung die Differenz zu Ästhetiken, die der Philosophie das letzte Wort über die Kunst lassen, wie zum Beispiel der von Adorno, bei der der Wahrheitsgehalt von Kunstwerken allein durch philosophische Reflexion zu gewinnen ist? (Ästhetische Theorie S.193)

Harald Lemke: Der Zweck einer kritischen Selbstvergegenwärtigung von Kunst besteht schlicht darin, darüber Nachzudenken, ob die Kunst und Philosophie, die produziert wird, gut ist. Zu diesem Gutsein gehört eben die Reflexion des eigenen gesellschaftlichen Sinnes und Zwecks hinsichtlich eines freien Verstehens (Problematisierens, Sensibilisierens, Irritierens, etc.), der allgemeinen Wahrheit der Jetztzeit.

Dass philosophische Reflexion den Wahrheitsgehalt von Kunstwerken enträtseln soll, wie Adorno meint, ist allerdings doppeldeutig. Wenn mit Philosophie hier eine bestimmte Disziplin, ein bestimmter Wissenskanon der Philosophie gemeint ist, dann handelt es sich dabei um eine unhaltbare Arroganz. Ich befürchte, Adorno dachte in diese Richtung. Die Philosophen haben sicherlich kein privilegierten Zugang zur Kunstwahrheit (zumeist sind sie peinlich unsachkundig und bildungsbürgerlich). In einer anderen Hinsicht freilich ist es richtig. Dann nämlich, wenn man unter philosophischer Reflexion eine Denkweise und Begrifflichkeit versteht, die von jenen entwickelt werden, welche sich alltäglich mit Kunst und ihrem Verständnis beschäftigen. In dieser unruhigen, rhizomatischen, experimentellen Reflexion wird der Wahrheitsgehalt ermittelt.

Judith Siegmund: In einer Fußnote setzt Du die »individuelle Erkenntnis von Wahrheit (...) im Unterschied zum reinen Sinnesempfinden«. Die Frage ist die nach Deinem Wahrheitsbegriff: Wie verbindest Du das individuelle Moment der Wahrheitserkenntnis mit der Intersubjektivität, die dem Begriff der Wahrheit eingeschrieben ist? Welche Rolle kommt dabei dem Diskurs über diese Sinn-Wahrnehmung zu, bzw. welche Kontrollinstanzen stehen zur Verfügung, wenn es darum geht, festzustellen, daß es sich jeweils um Wahrheitserkenntnis und nicht um einen Irrtum über schlechte Kunst handelt?

Wo hat die Kunstwahrheit ihren Ort, wenn nicht im Kunstwerk oder der ästhetischen Erfahrung der Rezipienten? Wenn sie sich in der Kommunikation zwischen Produzentin und Rezipientin ereignen soll, wie Du das im Abschnitt »Die Allgemeinverständlichkeit der individuellen Praxis« nahelegst, - worin besteht dann ihre Differenz zur Wahrheit sprachlicher Äußerungen?

Harald Lemke: Ich verwende den Wahrheitsbegriff in loser Nähe zu Foucault. Hier wäre viel zu sagen (auch im Hinblick auf Heidegger). Ich beschränke mich auf das Allernötigste: Künstlerische Wahrheit ist thetisch, d.h. subjektives Sinn-machen, geltend gemachtes Verstehen. Dieses Ereignis von Wahrheit ist gesellschaftlich notwendige (nötige) Arbeit der freien Selbstverständigung. Damit ist jede künstlerische Produktion ein Ereignis von Wahrheit. Inwieweit sie allgemein gültig ist, muss sich dann in der Rezeption des Publikums erweisen. Die Kriterien der Allgemeingültigkeit sind nicht metaphysisch festgelegt (wie z.B. bei Platon); das Allgemeine ist hier überhaupt nur quantitativ und politisch: Mehr oder weniger Menschen kommen (über genauer beschreibbare Strukturen, Streams, Moden, Institutionen, Machtverhältnisse) darüber ein, diese oder jene Kunstwahrheit als wahre Kunst gelten zu lassen. Wahrheit ist immer Politik der Wahrheitsspiele, weil es – wie wir spätestes seit Nietzsche wissen – keine Eine Wahrheit gibt. Schon ein flüchtiger Blick auf die Kunst- und Geistesgeschichte zeigt, dass die Gültigkeit des Wahrheitsgehalts von Kunstwerken ein Dispositiv ist, der unabschließbare Prozess der gesellschaftlichen Formation des Allgemeinen. Dieser Prozess ist auf Seiten der Künstlerinnen und Künstler ein harter (Einzel-)Kampf um Anerkennung in dem äußerst engen Raum und in der institutionellen Dynamik kultureller Hegemonie. Die künstlerische Praxis bringt individuelle Wahrheit hervor – das nicht nur private, öffentliche Verständlich-und-Mitgeteilt-Sein dieser Wahrheit ereignet sich. Im Grunde genommen, ist Kunstwahrheit – wie die Aussagewahrheit auch – ortlos. Sie territorialisiert sich konstellativ, situativ, subjektiv, kollektiv, etc. Ob sie gilt, also von Anderen verstanden und anerkannt wird, ob ihr subjektiver Sinn fällig ist, also auf allgemeinen Beifall stößt; wie groß die Urteilsgemeinschaft ist (kaum werden es alle sein, sondern immer nur Mehr- und Minderheiten und endlose Abstufungen).

Judith Siegmund: Ich teile mit Dir die Ansicht, dass die Philosophen »in ihrer Beschäftigung mit Kunst (...) allzu selbstverständlich den Standpunkt des Betrachters von Kunst(-werken)« einnehmen und dass »die Kunstpraxis und -produktion (...) oft ganz ausgeblendet« bleibt.

Müsste aber nicht, anstatt als Alternative allein die Kunstproduktion in den Vordergrund zu stellen, überprüft werden, inwiefern kunstphilosophische Begriffe wie z.B. der der ästhetischen Erfahrung, der ästhetischen Reflexion und ähnliche sich im Zusammenspiel zwischen Produzenten und Rezipienten bewähren? Eine Möglichkeit wäre beispielsweise, künstlerische Arbeit so zu beschreiben, als spränge die Künstlerin beim Produzieren zwischendurch in die Rolle möglicher Rezeptionshaltungen, um so die Wirkung ihrer Arbeit bzw. ihrer Aktion zu testen.

Harald Lemke: Eine sehr gute Idee. Denn ich befürchte, wenn man sich so den alltäglichen Betrieb der Kunstproduktion anguckt (und wie gesagt, dabei ist immer auch die Philosophieproduktion mitgemeint), dann ist es schon nicht leicht, sich des Eindrucks zu erwehren, dass die Produzentinnen und Produzenten zu wenig (kritische) Beobachter und Publikum ihrer eigenen Arbeit sind. Denn das würde zwangsläufig die erfrischend regulative Dynamik hervorrufen, darüber nachzudenken, ob das, was man da so tut und sagt oder zeigen will, etc. – ob das auch interessiert und entweder ein Allgemeines versinnlicht oder vor dem Hintergrund bereits bestehender Allgemeinheiten (Themen, Problematisierungen, Sichtweisen, Stimmungen, etc.) eine mit-geteilte Gültigkeit empfängt.

Ob sich dadurch kunstphilosophische Begriffe bewähren, kann sein.

Judith Siegmund: Wie erläuterst Du den Begriff der geistigen Freiheit und auf welche Autoren beziehst Du Dich gegebenenfalls? In welchem Verhältnis steht dieser zur Praxis kultureller Selbstreflexion? Anders gefragt: Wo liegt die Differenz zwischen geistiger Freiheit in künstlerischer und in außerkünstlerischer Praxis?

Harald Lemke: Ein ziemlich zentraler Punkt, wie mir scheint. Denn die verwendeten Begriff sind endlos abgegriffene und unkenntlich. Geist, Freiheit, Kultur, Kunst – alles Begriffe, die geklärt werden müssen und auch von mir in einem bestimmten Sinne gebraucht werden. Ich beziehe mich auf eine Autoren im besonderen, lediglich auf das allgemeine Feld des philosophischen Kanons. Beim Geistbegriff denke ich vielleicht am ehesten noch an den geschichtsphilosophischen Begriff des objektiven Geistes bei Hegel (wobei dies eher verfänglich als hilfreich ist): Geist meint dann jenen gesellschaftlichen Teilbereich, der von Politik, Wirtschaft und Familie / Freundschaftsverhältnisse als Kultur, kulturelles Leben unterschieden wird. Unter Kultur werden heute die unterschiedlichsten Dinge subsumiert, wie Denkmalschutz, Kulturelles Erbe, Alltagskultur, Kulinarik, nicht selten in der Politik rechnet man auch noch Sport zu Kultur (wiederum aus nicht ganz unberechtigten Gründe, auf die ich hier aber nicht eingehen kann). Wenn ich von Kultur spreche, dann meine ich in diesem Zusammenhang nicht diese außerkünstlerische Kultur. Diesbezüglich müsste man im einzelnen am Leitfaden der Freiheit prüfen, ob diese Kulturen einer praktischen Möglichkeit einer selbstbestimmten Gestaltung zugänglich sind. Diese Möglichkeit oder Freiheit der selbstbestimmten Gestaltung markiert die Differenz zwischen jeder künstlerischen und außerkünstlichen Praxis, ob geistiger oder anderer. (Für Denkmalschutz und dem Erhalt des kulturellen Erbes ist dies schwer zu behaupten. Deshalb plädiere ich auch in kunstpolitischer Hinsicht ganz entschieden dafür, diese Kultur in anderen Politikfelder unterzubringen.)

Ich gebrauche im kunstphilosophischen Kontext den Begriff der geistigen Freiheit und kulturellen Selbstreflexion ausschließlich in Bezug auf den gesellschaftlichen Bereich des objektiven Geistes: die freien Künste. (Geist verwende ich außerdem nicht kognitivistisch oder rationalistisch: der Geist der Kunst vergegenwärtigt sich in begrifflich wie sinnlich erfüllten Sinn; schließt also nicht Sinnlichkeit, Lust, erfüllte Gegenwart aus; Kunst kann so kopflastig sein, wie Philosophie sinnlich).

Traditionellerweise sind ihre Präsenzen durch das religiöse Leben, Mythos und dergleichen Sinnzusammenhänge des kulturellen Selbstverständnisses einer Zeit erfüllt. In einer säkularisierten, aufgeklärten Gesellschaft, der oberster (moralischer) Wert die menschlichen Selbstbestimmung ist, kann sich dieser Geist frei entfalten. Dieser geistigen Freiheit liegt demnach (zunächst) ein negativer Freiheitsbegriff zugrunde: die Freiheit, nicht an eine Mythologie, an eine Religion, d.h. an religiöser Weltdeutungen und Vorschriften, glauben (und leben!) zu müssen, sondern selbst zu bestimmen, welche Geschichten wir uns über unsere Gegenwart erzählen und welchen Sinn wir dem Lebensgeschehen abringen. Man muss hier zwei Dinge grundsätzlich unterscheiden. Einmal die historische Errungenschaft eines (moralischen) Wertesystems, dass diese geistige Freiheit als einen absoluten Wert betrachtet. Angesichts der Weltsituation ist diese Autonomie der Kunst alles andere als eine kulturelle Selbstverständlichkeit (Stichwort: Westkunst im Iran; religiöser Fundamentalismus). Diese Autonomie der Kunst, der historisch errungenen und immer wieder neu, unabschließbar zu erkämpfenden Freiheit der künstlerischer Selbstbestimmung hinsichtlich der inhaltlicher Reflexion ist von der faktischen Situation der Kunstproduktion (zumindest analytisch) zu trennen. Denn diese Autonomie hängt an unendlich vielen Voraussetzungen, Begrenzungen, Zufällen, die sie deformieren und torpedieren. Denn bleibt es ein Unterschied aufs Ganze, ob ich für jemandem ein Kunstwerk oder Buch, etc. mit bestimmten Auflagen, Erwartungen, Vorgaben produziere, ob ich einen religiösen Inhalt künstlerisch in Bild oder Ton, etc. vermittle und veranschauliche, und ob ich – trotz finanzieller, institutioneller, etc. Abhängigkeiten – die Möglichkeit habe, zu sagen, was ich denke, das gesagt werden sollte und ich ebendieses in meiner Kunst tue. Diese Praxis ist eine positive, gelebte Freiheit. Wer diese geistige Freiheit aufgrund alltäglicher Praxis lebt, lebt die Möglichkeit der kulturellen Selbstbestimmung voll. Der künstlerisch tätige Mensch verwirklicht damit einen absoluten Wert der Gesellschaft, dessen Teil er ist.

Judith Siegmund: Welches Potential gesellschaftlicher Veränderung intendierst Du, wenn Du Kunst als »gesellschaftlich notwendige Arbeit« definierst? In welchem Verhältnis steht obige Definition zur Tatsache, dass es sich bei Kunst um eine Beschäftigung von Minderheiten handelt?

Harald Lemke: Ja, leider handelt es sich um eine Beschäftigung von Minderheiten. Wenn der Sinn der Jetztzeit die alltagspraxische Artikulation einer Freiheit des Geistes sein soll – und das würde man aus einer emanzipatorischen Perspektive immer wünschen und fordern –, wenn außerdem das kulturelle Selbstverständnis einer demokratischen Gesellschaft nicht anders in die Welt kommt als dadurch, dass sie von den Menschen in den mühsamen Schritten täglichen Ins-Werk-setzens produziert wird, dann ist diese Arbeit eigentlich von jedem zu tun. Wenn niemand sie tut, ist die Gesellschaft in geistiger Not. Umgekehrt gilt: Das kulturelle Gemeinwohl beruht auf der Lebendigkeit künstlerischer Lebenspraxis. Nun gibt es aber keinen triftigen Grund, dass ich für uns alle Kunst mache, mein Nachbar stattdessen lieber andere Dinge tut. Jeder ist gleich gefordert; darin verbürgt sich die Freiheit für alle gleichermaßen (diese Möglichkeit an Anspruch nehmen zu können, wenn man denn will) und zugleich die individuelle Verantwortung gegenüber dieser Freiheit. In diesem Sinne meine ich, ist künstlerische Arbeit gesellschaftlich not-wendige Arbeit: sie muss getan werden und tut not – wer tut sie also. Gleichzeitig darf niemand zu ihr gezwungen werden. Aber alle sollten sie tun, nicht nur Minderheiten, die darüber hinaus auch noch belächelt werden oder mit dem Vorwurf bedacht, sie würde sich ja nur selbst verwirklichen...ein schöner Luxus, den sich die einen leisten mögen, andere wiederum – die vermeintlicherweise wichtigere Dinge für das Gemeinwohl tun {für sich Geld verdienen) – aber meinen, sich solchen Luxus der Selbstverwirklichung nicht leisten zu können. (Hier wäre eine Diskussion über die verschrobene Vorstellung des philosophischen wie politischen Liberalismus vom Wohl der Allgemeinheit erforderlich...)

Judith Siegmund: Noch eine weitere Frage zum normativen Vorrang des künstlerischen Tätigseins, das von Dir mit dem Begriff Poiesis belegt ist: Wie erläuterst Du die Nachordnung der »Urteile einzelner Rezipienten« und einer »interessierten Öffentlichkeit«, die über die Gelungenheit von Kunstproduktionen urteilen? Warum distanzierst Du Dich von einer eventuellen Darstellung von Kunst in einem ästhetischen Kommunikations­modell, in welchem alle drei Entitäten: Produktion, Kunstwerk und Rezeption (einschließlich öffentlicher Diskurse über sie) eine gleich wichtige Rolle spielen?

Harald Lemke: Das mag ein Missverständnis sein. Ich distanziere mich nicht von dem Kommunikationsdreieck aus Produktion, Präsentation und Rezeption. Darin spielt sich ja im Gegenteil die Wahrheit des Gutseins von Kunst ab. Ohne diesem magischen Dreieck geht nichts. Aus diesem Kommunismus des Kunsturteils geht hervor, welches Verständnis gemeinhin geteilt wird und welche Kunst(werk) als gute Kunst(werk) gilt.

Für das philosophische Verständnis von Kunst besteht jedoch der normative Vorrang des Tätigseins aus begründungslogischen Gründen: Damit ein Kunstwerk ist und rezipiert werden kann, muss es zunächst einmal produziert und so präsent geworden sein. Ganz einfach. Nur ist diese Produktion für eine demokratische Gesellschaft von höchster Bedeutung, weil sie die einzige Quelle einer freien, selbstzwecklichen Verständigung kultureller Selbst-Bestimmung ist.

Judith Siegmund: Du nimmst eine radikale Verabschiedung des Werk-Begriffs vor. Worüber sollen Rezipienten genau urteilen, wenn die Gelungenheit von Kunstwerken kein Beurteilungskriterium mehr sein soll? Die ästhetische Erfahrung der Rezipienten kommt laut Deiner Prämisse der Produktion auch nicht als subjektiver Bewertungsmaßstab in Frage. Wäre es nicht geschickter, performativen Kunstaktionen den theoretischen Status von Kunstwerken zuzuerkennen und somit der Schwierigkeit aus dem Weg zu gehen, dass es eine direkte Kommunikation zwischen Produzenten und Publikum nicht zwangsläufig in jedem Fall geben muss?

Harald Lemke: Nun, das kann man in beide Richtung auflösen. Man kann, wie du jetzt vorschlägst, den Werkbegriff erweitern und auch werklose Kunstpraxis auch als Werke bezeichnen. Damit habe ich im Grunde genommen auch keine Schwierigkeiten. Denn jede künstlerische Arbeit, die sich mitteilen will, wird eben dafür etwas, das als Mitteilung funktionieren kann, ins Werk setzen. Aber dennoch bevorzuge ich es, nicht zuletzt auch aus Gründen einer kritischen Haltung gegenüber einer Erweiterung im Beuys´schen Sinne. Nicht alles soll zum Kunstwerk erklärt werden (können), was in Tat und Wahrheit nicht kunstfähig ist. Wie auch immer. Ich bevorzuge es, den Werkbegriff zugunsten eines Präsenzbegriffes zu reformulieren. Das heißt aber nicht, dass es notwendig zu einer direkten Kommunikation kommen müsste, lediglich ist man aus der Verlegenheit, eine Videoinstallation, eine Band-Auftritt oder ein Poetry Slam als Kunstwerk bezeichnen zu müssen.

Von daher, um auf den anderen Teil deiner Frage zu sprechen zu kommen, hängt die erforderliche Beurteilung des Gelungenseins nicht davon ab, ob ich die präsentierte Kunst als Werk bezeichnen, sondern eben davon, ob die Beurteilung und ein Verstehen stattfindet und wie dies ausfällt und wie viele zu einer übereinstimmenden Beurteilung und einem geteilten Verständnis darüber kommen.

Judith Siegmund: »Hinsichtlich des normativen Vorrangs der Kunstpraxis und -produktion ist entscheidend, dass Individuen künstlerisch tätig sind und nicht alleine, welche Kunst sie machen.« Schon den Versuch, »ein Verstehen zu präsentieren«, bezeichnest Du als einen »Akt präsenter Kunst«. Wie steht es um den Wert schlechter Kunst? Wenn Du auch fehlgeschlagene Versuche, Kunst zu produzieren, als geistige Freiheit bewertet wissen willst, - woher nimmst Du qualitative Unterscheidungskriterien für Kunstproduktionen? An Kunstwerken lassen sie sich ja Deines Erachtens nicht bestimmen. Wie ist in diesem Zusammenhang die Bemerkung zu verstehen, dass individuelle Versuche, »Erkenntnis erkennbar zu machen, am allgemeinen Unverständnis scheitert«?

Harald Lemke: Das schließt an einiges an, wovon bereits die Rede war. Der individuell unternommene Versuch, mit einem Akt präsenter Kunst, ein Allgemeines verstehbar zu machen, kann immer scheitern dadurch, dass das Präsentierte nicht verstanden wird. Der Anspruch der Künstlerin, der Gegenwart ihre Wahrheit zu sagen, bleibt davon unangegriffen (wenigstens physisch). Damit büßt der Akt, die Arbeiten, etc. nichts an beanspruchter und mitgeteilter Wahrheit ein. Das Schmerzliche daran ist, dass die erkennbar gemachte, eigene Erkenntnis nicht geteilt wird. Insofern aber der gesellschaftliche Wert künstlerisch produzierter Wahrheiten sich in dem geistigen Wohl eines gemeinsamen Verständnisses der Gegenwart allgemein bewahrheitet, ist die unverstandene Kunst wahr, aber schlecht (in den Augen der bestehenden Öffentlichkeit). Als Quelle möglicher guter Kunst bleibt auch schlechte Kunst wertvoll. An diesen Sachverhalten wird deutlich, dass künstlerische Praxis – wie viele praktische Dinge – ein unentrinnbares Geschehen an tragischem Abgrund des Unverstandenbleibens ist.

Judith Siegmund: Auf welche Art und Weise wird Kunst verstanden? Wäre dieses Kunstverstehen sprachanalog zu beschreiben, - wenn nicht, worin besteht die Differenz zum Sprachverstehen? Die von Dir aufgezählten Merkmale des »experimentellen Charakters guter Kunst«: »Uneindeutigkeit«; »Offenheit einer Rezeption« und »Unein-, Mehr-, und Vieldeutigkeit ihres Sinns« ließen sich auf Phänomene gesprochener und geschriebener Sprache ebenfalls problemlos anwenden.

Harald Lemke: Viele Kunst hat mit Phänomen gesprochener und geschriebener Sprache zu tun. Deshalb verlangt deren Verständnis auch ein Sprachverstehen. Aber was heißt hier Sprache verstehen? Ich verstehe, wenn ich Kunst verstehen will, nicht Sprache, sondern das Mitgeteilte – das auch sprachlich sein kann, aber dies keineswegs muss. Das Verständnis von Kunst hängt nicht an Sprache, wie Sprache nur eine Form des (Mit-)Geteiltseins und Verstehbarmachens symbolisiert. Schlicht, aber nicht einfach: Das Verstehen von Kunst verlangt Sachkenntnis aus praktischer Erfahrung (in der Sache). In diesem Zusammenhang berühren wir einen Punkt der möglichen Differenz zwischen Philosophie und Kunst. Der Unterschied liegt nicht darin, dass jene (nur) mit Begriffen und sprachlichen Mitteln arbeitet, während diese (nur) mit anderen, z.B. visuellen Ausdrucksmitteln arbeitet. Für viele Kunstformen trifft das schlichtweg jedenfalls so ohne weiteres nicht zu. Entscheidend ist vielmehr, dass Philosophie mit begrifflichen Mitteln, die sie für ihren Zweck bevorzugt, am stärksten der Unordnung des Sinns bzw. der Uneindeutigkeit der Deutungen entgegenwirken kann. Einfach deshalb, weil dies – das Allgemeine (das allen Gemeine) Teilen eines Sinnverstehens mit-(anderen-)teilen zu können – zu der Verständigungseigenschaft der Sprache gehört. Man mag darin eine Stärke des Begrifflichen sehen wollen oder nicht. Jedoch sollte man es sich nicht zu leicht damit machen, die Sinnthetik der begrifflichen Eindeutigkeit der Philosophie zuzuordnen und der Kunst gegenüberzustellen. Damit ist beiden nicht geholfen.

Judith Siegmund: Einerseits sprichst Du Dich vehement gegen eine Theorie ästhetischer Wahrnehmung aus, andererseits »können die Beteiligten« künstlerischer Präsentationen »im vollen Sinn die Sinnlichkeit des Sinns des Seins (...) erleben«. Wie ist die Sinnlichkeit erlebbar, wenn nicht über Prozesse der Wahrnehmung?

Harald Lemke: Ein großes, ehrwürdiges Thema der philosophischen Erkenntnistheorie: das Verhältnis von Erkenntnis, Sinn ( Bedeutung verstehen, ‹Sein› mit anderen teilen können) und Sinnlichkeit. Darin sind viele Dinge äußerst konfus. Ich bin kein Freund der platonischen Polarisierung von Geist versus Sinnlichkeit, und komme besser mit einem ganzheitlicheren Verständnis des Menschen und seiner Selbsterfahrung oder dem Selbstgewahren aus, das von einer tiefen Durchdringen von Geist und Körper, Sinn und Sinnen, Wissen und Wahrnehmungsfähigkeit ausgeht. Auf dieser (hier nicht weiter zu verfolgende) anthropologischen Grundfeststellung aufbauend geht es darum, dass man bereits dem tristen Dualismus einer bewusstseinsphilosophischen Tradition aufsitzt, wenn man sagt, Kunst würde über die Sinne wahrgenommen werden, um dann als rohes Datenmaterial in den Denkapparat weitergeleitet zu werden. Und dort erst würde das Rohe gekocht: zu Sinn synthetisiert wird. Aber das Objekt der Kunstwahrnehmung ist kein Rohstoff, sondern bereits das produzierte und ins Werk gesetzte Mahl: ein durch und durch konstruiertes, von Sinn durchzogenes Etwas. Auch mit der idealistischen Ästhetik kantscher Provenienz kommt man, denke ich nicht weiter. Da nimmt man die Kunst allein deshalb wahr, weil man sie ja erst gar nicht verstehen soll. Ihr genügt für das ästhetische Urteil das begriffslose Wohlgefallen. Als Objekt der sinnlichen Wahrnehmung soll Kunst nichts mit Erkenntnis zu tun haben... Sinne nehmen wahr, was sie wissen; sie sind verkörpertes Wissen, wie heute alle einigermaßen brauchbare kulturwissenschaftliche Studien (der kulturellen Konstruktion von Körper und Sinne wie auch der Bildung des Geistes) belegen.

Eine sinnthetische Kunstphilosophie hält dem schlicht die Tatsache entgegen, dass jedes Verstehen und Denken auch sinnlich ist. So dass, wenn es zu einem Verstehen von künstlerischem Sinn kommt und genauso, wenn es zu einem Unverständnis angesichts des präsentierten Unsinns kommt, dann ist diese Erfahrung nicht ohne Sinnlichkeit, von bestenfalls gut begründeter Lust oder Unlust begleitet. Und umgekehrt muss man, um Kunst zu verstehen, die präsentierte Wahrheit zu nehmen wissen. Wahrnehmen (nicht aisthesiologisch verkürzt) heißt, das sinnfällig Wahre teilnehmend zu verstehen.

Judith Siegmund: Die Praxis der Einzelnen, »Kunst zu leben«, also »künstlerisch selbst tätig zu sein« ist Deiner Ansicht nach »ein wesentlicher Bestandteil eines guten Lebens«. Welche systematische Darstellung der Kunstproduktion berechtigt Dich, diese als per se ethisch zu definieren? Ist es zum Beispiel die Deweysche moralische Überlegenheit jeder Kunst, die ihr qua Imagination der künstlerischen Arbeit innewohnt? Auch empirisch gesehen, fällt es schwer, der Behauptung zuzustimmen, Kunst zu produzieren sei an sich schon Teil eines guten Lebens.

Harald Lemke: Das ist verbreitetes Missverständnis, dem die philosophische Tradition leider wenig entgegen gehalten hat. Das gute Leben ist nicht das rundum immer Glücklichsein, Friede, Freude, Eierkuchen und Sonnenblumen obendrein. Das gute Leben umfasst nicht das Dasein insgesamt. Das kulturelle Leben gut leben heißt nicht anderes, als Kunst machen: diese gesellschaftliche Aufgabe nicht anderen überlassen und sich diesbezüglich der Reflexion anderen überantworten, sondern diese Tätigkeiten zu einem wesentlichen, aber auch nur einem Bestandteil meiner Lebenspraxis machen. Die Kunstpraxis ist nur eine Praxisform, gut, nämlich auf das eigene und allgemeine Wohl hin zu leben. Das gute Leben künstlerischen Tätigseins beinhaltet selbstverständlich unaufhörliche Erfahrungen des Scheiterns, Nichtverstandenwerdens, ausbleibender Anerkennung, Sinnkrisen, ebenso wie Momente der Freude und tiefen Zufriedenheit, des Selbstwertgefühls und ersehnten Lobs der Anderen, etc. Wenn ich vom guten Leben sprechen, dann praxologisch: als Verb und nicht als Substantiv. In diesem Verständnis ist das praktisch Gute einer Ethik an sich tragisch. Nie immer währendes Glück, sondern der aufwändige wie verheißungsvolle Versuch, dass das Glücken des eigenen Tuns dessen möglichen Missglückens überwiegt. Auch wegen dieser eingebauten Tragik ist die Praxis des guten Lebens zum Beispiel der Kunst eine Sache der Ethik, eines Wollens. Das (auch philosophisch relevante) Gute darin bezieht sich auf das fortgesetzte und oft umwegige Tätigsein. Und weil über diese Alltagspraxis freigeistiger Sinn in die Welt und allen zugute kommt, ist diese Tätigsein eine Praxis der Freiheit und an sich wahrlich sinnvoll. Vielleicht liegt diese Erfahrung des Kunstlebens nicht allzu weit von dem, was Deweys Kunstphilosophie meinte. Aber wie auch immer. Entscheidend ist: im Bereich des kulturellen Seins und Sinnereignisses bedeutet heute die Lebenskunst, Kunst zu leben, eine politische Ethik zu praktizieren.

Anmerkungen

  1. Brigitte Hilmer: Kunst als Spiegel der Philosophie. -in: Andrea Kern und Ruth Sonderegger (Hrg.): Falsche Gegensätze; Suhrkamp; Frankfurt a.M., 2002
  2. Selbstverständlich sind die meisten Philosophen und Philosophinnen, die sich in die kulturelle Reflexion einschalten, Hochschuldozenten und -dozentinnen. Auch können sie sich Forschungssemester frei nehmen, um inhaltlich zu arbeiten. Neben dieser Möglichkeit des Tätigseins bleibt es eine Sache der allgemeinen Verständigung, ob ihre Produkte als Sinn oder Unsinn aufgenommen wird und in welchem Maße ihre Werke maßgeblich sind. Auch darin unterscheiden sich viele von ihnen nicht von vielen Künstlern, die als Dozenten an irgendwelchen Institutionen tätig sind.

Judith Siegmund

Judith Siegmund studierte Kunst in Dresden und Stuttgart (1991 Diplom der Malerei Kunsthochschule Dresden) und Philosophie in Berlin und Potsdam (2001 Magister, 2007 Promotion in Philosophie, Universität Potsdam). 2007 erschien ihr Buch Die Evidenz der Kunst. Künstlerisches Handeln als ästhetische Kommunika­tion. Neben ihrer Ausstellungspraxis unterrichtete sie an den Kunsthochschulen Mainz und Hannover. (www.judithsiegmund.de)

Ausstellungen (Auswahl):

Harald Lemke

Philosoph, Studium der Philosophie und Geschichte in Konstanz, Hamburg und Berkeley / Kalifornien; 1993 Magister Artium zum Thema "Praxis politischer Freiheit. Zur Bedeutung von Hannah Arendts Theorie des politischen Handelns für eine aktuelle Gesellschaftstheorie" bei Prof. Martin Seel in Hamburg; 1993-1995 Postgraduate Fellow an der Jan van Eyck Akademie für Bildende Kunst, Design und Theorie, Maastricht / Niederlande; 1999 Promotion zum Thema "Ethik des Freundseins. Zur Philosophie des guten Lebens" bei Prof. Axel Honneth in Frankfurt/M; 2006 Habilitation zum Thema "Ethik des Essens. Einführung in die Gastrosophie"; 2004-2006 Humboldt-Stipendiat und Forschungsaufenthalt an der Universität Kyoto / Japan; derzeit Dozent am Institut für Kulturtheorie / Universität Lüneburg.

Inhalt | Impressum

recenseo
Texte zu Kunst und Philosophie
ISSN 1437-3777