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Texte zu Kunst und Philosophie
ISSN 1437-3777

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Harald Lemke: Das Manifest der futuristischen Koch-Kunst. Annäherungen an die Eat Art.

Futuristische Revolution der Kochkunst

Über Jahrhunderte hinweg wurde das Essen in der Bildenden Kunst im Kontext der Stilllebenmalerei thematisiert. Der historische Zeitpunkt, an dem diese Tradition der "Eat Art" durch die künstlerische Moderne radikal in Frage gestellt wird, kann auf den Tag genau datiert werden: am 15. November 1930 wendet sich die moderne Kunst dem Essen nicht länger in der ikonographischen Form des Stillebens malerisch zu, sondern thematisiert es real kulinarisch als Lebenspraxis. Am Rande eines Festessens im Restaurant "Gänsefeder" in Mailand lässt der italienische Dichter und maßgebliche Kopf der Künstlerbewegung des "Futurismus", Filippo Tommaso Marinetti, über den ortansässigen Radiosender verlauten: "Ich kündige euch die Manifestation der futuristischen Küche zur völligen Erneuerung des italienischen Ernährungssystems an". Kurze Zeit später verleiht Marinetti in der Turiner Zeitung Gazzetta del Popolo der totalen Erneuerung der gesellschaftlich vorherrschenden Essgewohnheiten durch das "Manifest der futuristischen Küche" eine programmatische Form. (Anm. 1) "Diese unsere futuristische Küche", verkündet Marinetti, will "eine Übereinstimmung zwischen dem Gaumen der Menschen und ihrem Leben heute und morgen schaffen." (ebd.)

Um diese Übereinstimmung zwischen dem Gaumen der Menschen und ihrem Leben heute und morgen zu erreichen, fordert Marinetti eine "futuristische Revolution der Kochkunst". Diese, so proklamiert das Manifest, "setzt sich das hohe, edle und gemeinnützige Ziel, die Ernährung unserer Rasse radikal zu ändern, um diese zu stärken, zu dynamisieren und zu spiritualisieren, und zwar durch ganz neue Speisen, bei denen Erfahrung, Intelligenz und Phantasie so wichtig sein werden wie bei den bisherigen Qualität, Einfallslosigkeit, Wiederholung und Preis." (Die futuristische Küche: 5) Die futuristische Revolution der Kochkunst bekennt sich zum radikalen Bruch mit allen kulinarischen Traditionen und zum avantgardistischen Projekt, Leben und Kunst zu einer neuen und "besseren" Lebenspraxis und Esskultur zu vereinen. Gleichzeitig kündigt sich aber mit dem Begriff der "Rasse", in der eben zitierten Passage, schon die fatale Richtung an, die die futuristische Künstlerbewegung ideologisch einschlägt.

Doch bevor über diese problematische Seite der Futuristen zu sprechen sein wird, halten wir zunächst fest: Noch vor der dadaistischen und surrealistischen Bewegung in Frankreich und Deutschland forciert die futuristische Bewegung in Italien seit 1909 im Bereich der Literatur und Malerei und darüber hinaus im Theater, in Film und Fotografie wie auch in der Architektur eine radikale Hinterfragung der traditionellen Stile, Kunstformen und ihrem "ästhetischen Geschmack". (Anm. 2) Mit der Problematisierung nicht nur der symbolischen Ordnung des konventionellen Kunstgeschmacks, sondern buchstäblich der existenziellen, nämlich realen kulinarischen Selbstverständlichkeiten der Moderne schlägt Marinetti eine neue, überraschende Richtung ein. (Anm. 3)

Mit einer ästhetischen Realisierung des "Kunstwerks" als einer "Geschmacksache" gelingt es ihnen, die Avantgarde der eigenen Kunst von den anderen Avantgardismen noch einmal zu radikalisieren. Denn erst durch die Hinwendung zur Kochkunst und zur Küche macht Marinetti mit dem avantgardistischen Anspruch wirklich ernst, dass die Kunst nicht vor dem Leben außerhalb der Kunst Halt macht und nicht bloß zu schöngeistiger oder antischöngeistiger Unterhaltung dient, sondern tatsächlich in existenziell relevante Lebensbereiche eingreift, um das bestehende Gesellschaftssystem zu verändern. Um ihre ästhetische Utopie einer kulturellen Erneuerung aus dem Geiste der Kunst zu verwirklichen, erhebt Marinetti die Koch-Kunst zum avancierten Gegenstand und maßgeblichen Inhalt einer revolutionären Praxis: "Von den sprichwörtlichen Ausnahmen abgesehen, haben sich die Menschen bisher wie Ameisen, Mäuse, Katzen und Ochsen ernährt. Durch uns Futuristen entsteht die erste menschliche Küche, das heißt die Kunst, sich zu ernähren. Wie alle Künste schließt sie das Plagiat aus und verlangt schöpferische Originalität." (Die futuristische Küche: 5)

Ausgehend von dem Ideal eines kreativen Kochens entwirft Marinetti die elf Regeln der futuristische Küche, deren kulinarischen Grundsätze die vorherrschenden Ernährungsverhältnisse revolutionieren sollen. Die aufgestellten Prinzipien setzen, wie sich gleich zeigen wird, die Ästhetik der klassischen Kochkunst bzw. der traditionellen Esskultur teils radikalisiert fort, teils werden sie grundlegend modifiziert. Demnach gilt:

  1. Die unbedingte Originalität der Speisen, welche die traditionellen Zusammenstellungen und Rezeptvorgaben durch das freie Experimentieren mit neuen und scheinbar absurden Kombinationen ersetzt, um mit dieser gelebten Kreativität "der mediokren Alltäglichkeit bei der Gaumenfreuden" entgegen zu wirken.
  2. Das Verfahren zur Gestaltung einer "vollkommenen Mahlzeit" verlangt eine originelle Harmonie der Tafel (Kristall, Geschirr, Dekoration) mit dem Geschmack und den Farben der Speisen.
  3. Die Erfindung "plastischer Geschmackskomplexe", deren originelle Harmonie in Form und Farbe die Augen schmeicheln und die Phantasie anregen sollen.
  4. Die Abschaffung von Gabel und Messer, damit noch vor der Berührung durch die Lippen das Wohlgefallen der taktilen Berührung gewährt wird.
  5. Die Anwendung der Kunst der Düfte, um die sinnliche Wahrnehmung zu befördern.
  6. Die Darbietung von Musik auf die Pausen zwischen den einzelnen Gängen zu beschränken, damit die Sensibilität der Zunge und des Gaumens nicht abgelenkt und der Geschmacksgenuss nicht ausgelöscht wird, um so die Jungfräulichkeit des Kostens und Probierens wiederherzustellen.
  7. Die Abschaffung des Beredens und des Politisierens bei Tisch.
  8. Die feine Dosierung von Poesie und Musik als überraschende Beigaben, um mit ihrer sinnlichen Intensität die Geschmacksnuancen einer gegebenen Speise zu erschließen.
  9. Die rasche Aufeinanderfolge der Speisen unter den Nasen und Augen der Gäste, von einigen Speisen, die sie essen, und anderen, die sie nicht essen werden, um die Neugier, die Überraschung und die Phantasie zu beleben.
  10. Die Kreation von simultanen und veränderlichen "Bissen" oder Konzentraten, die zehn, zwanzig verschiedene Geschmacksmomente enthalten und in wenigen Augenblicken gekostet werden können, um intensivste Eindrücke zu erzeugen. Und schließlich als letzter und maßgeblicher Faktor eines futuristischen Ernährungsstils:
  11. Die Ausstattung der Küche mit wissenschaftlichen Instrumenten und Technologien.

Die Koch-Kunst wird zu einem beispielhaften, lebenspraktischen (nicht nur innerkünstlerischen) Bezugspunkt der avantgardistischen Formel "'Kunst = Leben', welche alle futuristischen Aktivitäten beseelt" (Die futuristische Küche: 103). Nun wird in kunstwissenschaftlichen Studien dementsprechend auch betont: "Die Futuristen verstanden sich als eine 'Vorhut' im gesellschaftlichen wie ästhetischen Sinn; radikal versuchten sie, die Künste zur revolutionieren und ihren umfassenden futuristischen Lebensentwurf politisch umzusetzen." (Anm. 4) Aber trotz der kunstgeschichtlichen Rückgriffe auf dieses Motiv durch zahlreiche Künstlerbewegungen ist der eigentlich paradigmatische Bezugspunkt einer avantgardistischen Lebens-Kunst, eben die Koch-Kunst, kaum bekannt. (Anm. 5) Die futuristische Revolution der Kochkunst versteht sich in diesem Kontext nicht als phantasievolles und provokantes Spiel mit Lebensmitteln, sondern als zentraler, gesellschaftlicher Kulminationspunkt einer veränderten Lebenspraxis durch künstlerische Mittel. In Marinettis kulturphilosophischer Aufwertung der Kochkunst findet sich gewissermaßen Marx’ Ideal eines arbeitsreduzierten Lebens und dessen utopischen Industrialismus wieder: "Die Maschinen", schreibt Marinetti, "werden bald ein gehorsames Proletariat aus Eisen, Stahl und Aluminium bilden, im Dienst der Menschen, die von der manuellen Arbeit befreit sein werden. Wenn die Arbeitszeit auf zwei oder drei Stunden reduziert wird, kann man die übrige Zeit bereichern und adeln im Gedanken an die Künste und durch den Vorgeschmack vollkommener Mahlzeiten." (Die futuristische Küche: 27)

Santopalato - Taverne zum Heiligen Gaumen

Eineinhalb Jahre nach der ersten Ankündigung wird die futuristische Revolution der Kochkunst praktisch in Angriff genommen und das gesellschaftsumstürzende Programm einer radikalen Offensive gegen die vorherrschende Küche und die kunst- wie geistlosen Ernährungsgewohnheiten in die historische Tat umgesetzt. Am 8. März 1931 eröffnen die Eat Artisten in Turin eine Experimentalküche unter dem Namen "Santopalato" – die Taverne zum "Heiligen Gaumen". Ein anwesender Kunstinteressierter notiert die überschwängliche, aber – so wird man sagen müssen – nicht in Erfüllung gegangene Prophezeiung: "Das Ereignis wird außergewöhnliche Bedeutung erlangen, sein Datum wird der Geschichte der Kochkunst eingeprägt bleiben, wie in der Geschichte der Welt die Daten der Entdeckung Amerikas, der Erstürmung der Bastille, des Friedens von Wien und des Versailler Vertrags unauslöschlich verankert sind." (Die futuristische Küche: 81)

In der Tat hätte dieses Ereignis eine größere kunsthistorische Bedeutung verdient – wenn nicht der futuristische Überschwang mitten in den Faschismus geführt hätte und diese gewaltästhetische Wendung den kulinarischen Avantgardismus schwer belastete. Mit der Erfindung der Künstlerküche beziehungsweise mit ihrem selbstbetriebenen Koch-Kunstraum führen die Futuristen aber tatsächlich eine neue Form der künstlerischen Praxis in die Geschichte der modernen Kunst ein, die seitdem vielfache Fortsetzungen und Variationen erfahren hat. Zu den bekanntesten Künstlerrestaurants gehört das "Restaurant Spoerri" und das nahezu zeitgleich betriebene New Yorker "Food-Restaurant" von Gordon Matta-Clark zu Anfang der 1970er Jahre. Für die jüngere Gegenwartskunst ist an die temporären Künstlerküchen von Rirkrit Tiravanija oder Dieter Froelich und dessen "Restauration a.a.O." oder auch an das von Damien Hirst betriebene Lokal "Pharmacy" zu denken. Vor dem Hintergrund dieser vielfachen gastronomischen Künstleraktivitäten geht die Ausstellungsmacherin Elisabeth Hartung sogar so weit zu sagen, der "Künstler als Gestalter und Betreiber von Restaurants" sei ein "Trendsetter". (Anm. 6) Jedenfalls gilt es festzuhalten, dass die (in Form eines eigenen Restaurants territorialisierte) Koch-Kunst die Rolle des Künstlers als Genie eines "höheren Sinns" in Frage stellt und darüber hinaus den traditionellen Werkbegriff unterläuft. (Anm. 7)

An dem denkwürdigen Abend der Eröffnung des ersten Künstlerlokals der Kunstgeschichte, an jenem besagten 8. März 1931 in Turin, werden vierzehn Gänge einer "vollkommenen Mahlzeit" offeriert. Die Leitung dieses Abends wie der Kochkunst-Dauerinstallation insgesamt übernimmt der Futurist Fillià. Sein Konzept ist, dass die "Initiative und Aktivität zur Eröffnung des "Heiligen Gaumens" rein künstlerische Zwecke verfolgt und unsere Küchentheorie fördern soll." (Die futuristische Küche: 71) Entsprechend soll sich – im Unterschied zum Gastronomiegewerbe und der professionellen Kochkunst – kein kommerzielles Interesse und kein ökonomisches Gewinnstreben mit dem futuristischen Restaurant verbinden. Die präsentierten Köstlichkeiten sind in der Tat nicht teuer, sondern zu einem durchschnittlichen Preis zu haben. Das Lokal will aber ebenso wenig ein konventionelles Wirtshaus sein, das ausschließlich einem rein kulinarischen Zweck dient. So will das Künstlerlokal mit der körperlichen auch geistige Nahrung bieten und das kulturelle Leben mit neuen Kräften stärken. Dafür werden neben der Verköstigung Veranstaltungen zu Literatur, Malerei, Fotografie oder der futuristischen Mode angeboten. Der "Heilige Gaumen" versteht sich darüber hinaus als Ort der Begegnung und Vernetzung, der ausdrücklich für (noch) Nicht-Futuristen offen steht. Schließlich hat das Lokal auch die Funktion eines Labors, in dem die Künstlerköche und Kochkünstler neue Speisen erfinden und diese anschließend der Öffentlichkeit präsentieren, so dass die vorgestellten Kunstwerke von den Anwesenden genossen und einem wirklichen Geschmacksurteil unterzogen werden können. Kurz und alles in einem: Das Lokal soll zu jener revolutionären Keimzelle werden, von der die allmähliche Erneuerung der Ess- und Lebenskultur ausgeht. Bevor wir uns gleich den einzelnen Speisen und Bankettarrangements der futuristischen Küche zuwenden, sind zunächst noch einige Dinge zur Raumgestaltung des Restaurants zu erwähnen.

Der Veralltäglichung einer kreativen Praxis entsprechend wird die Künstlerküche durch eine originelle Dekoration zu einem Gesamtkunstwerk stilisiert. Wie sich die äußere Form der Taverne zur Skulptur einer futuristischen Ästhetik totalisiert, so wird auch die Innenarchitektur der Künstlerküche mit dem erklärten Ziel gestaltet, die futuristische "Theorie in die Praxis" umzusetzen. Das Lokal ist dementsprechend rundum mit Aluminium ausgestattet (das den Inszenatoren als Inbegriff eines zeitgemäßen und avancierten Materials gilt) um eine "progressive" Atmosphäre zu erzeugen. Die Aluminiumästhetik des Raumkörpers wird durch eine passende Lichtinstallation verstärkt. Auch alle weiteren innenarchitektonischen Kunstgriffe, wie große Reklamebilder, bearbeitete Glasscheiben, verschiedene Gegenstände, leuchtende Säulen – alles sollte zur Inszenierung des Restaurants als Vorschein der zukünftigen Ernährungs- und Lebensweise beitragen. Diese umfassende Koch-Kunst im öffentlichen Raum bewirkt nicht nur eine stärkere Annäherung der künstlerischen Praxis an das gesellschaftliche Alltagsleben, sondern sie untergräbt auch die traditionelle Trennung von Hoch- und Volkskultur.

Mit der Künstlerküche verbindet sich daher auch der avantgardistische Anspruch, Kunst zu veralltäglichen. So legen die Kunstköche konzeptuell Wert darauf, über die kostspielige und zeitaufwendige Hochkultur der traditionellen Kochkunst hinaus auch die Alltagskultur einer unaufwendigen Küche zu vertreten: "Wir werden sowohl einfache Speisen als auch Luxusgerichte präsentieren – Speisen, die sich eher der Pasta asciutta vergleichen lassen, und solche, die die alten Leckerbissen im Konkurrenzkampf überbieten." (Die futuristische Küche: 77)

Ein entscheidendes Element dieser revolutionären Veralltäglichung einer kreativen Alltagsküche, die von den Futuristen jedoch nicht konsequent umgesetzt wurde (und erst bei Joseph Beuys’ wirklich konzeptuelles Gewicht bekommen wird), besteht darin, dass die kulinarische Kunstpraxis als "Laien- oder Alltagskunst" praktizierbar sein soll. Um im Essenmachen ein "Künstler" zu werden, muss man zwar originell und kreativ, aber kein gelehrter Koch oder berufstätiger Profi sein. Man muss das Kochen nur praktizieren – das aber schon. Wie die Kunst selbst, so ist dem alltagskünstlerischen Begriff nach auch die Koch-Kunst kein bloß schulmäßiges Handwerk, weshalb es im Prinzip auch jeder künstlerisch praktizieren kann.

Im Widerspruch dazu hält ein gelehrter Koch und Mitglied der italienischen Küchenakademie den Futuristischen die handwerkliche Unprofessionalität ihrer "Kochkunst" vor. Er beruft sich in seiner harschen Abrechnung mit dem "Stümperwerk" einer kreativen Alltagsküche auf die technischen Standards und handwerklichen Gepflogenheiten der Italienischen Gastronomischen Akademie. Auf diesen klassischen Schul-Einwand, der die Technik (das regelgeleitete Handwerk) gegenüber der Ästhetik (die freie Gestaltung) ausspielt und Kunst auf Können reduziert, erwidert der kulinarische Autodidakt Fillià selbstsicher: "Wenn die akademischen Köche uns aus rein technischen Gründen bekämpfen, werden sie unterliegen: die Opposition von Handwerkern kann die Kraft von Künstlern nicht besiegen. Und die futuristischen Kreationen werden technische Vollkommenheit erlangen, während die alten Speisen, technisch vollkommen, sich nicht erneuern können." (Die futuristische Küche: 77) Entsprechend werfen die Aktivisten der Künstlerküche den bloß rezepthörigen Herdarbeitern den phantasielosen Zwang zum Kanon einer schulmäßig anerkannten "Kunst" und ein Mangel an origineller Komposition und kreativer Ästhetik vor: "Die Küche trug bis heute nicht der ästhetischen Seite Rechnung [...] Die Verfeinerung unserer Empfindungen erfordert dagegen ein durch und durch "künstlerisches" Studium der Küche." (Die futuristische Küche: 74) Für den Futuristen unterschätzt ein Standpunkt, der sich nur auf das handwerkliche Können bei der kulinarischen Praxis beruft, den Kunstcharakter dieser Gestaltungstätigkeit.

Daher ist sich Marinettis Kollege sicher, dass das futuristische Restaurant von Turin die Wissenschaft der akademischen Köche schlagen wird. "Der Protest der akademischen Köche", so seine Einlassung, "erinnert seltsamerweise an den Widerstand, den die Professoren der Kunstgeschichte gegen alle Bewegungen künstlerischer Erneuerung in diesem und dem vorigen Jahrhundert geleistet haben. Deshalb sind wir sicher, dass die Prophezeiungen des erlauchten Mitglieds der Küchenakademie dasselbe Ergebnis wie die anderen haben werden: sie werden nämlich unseren Erfolg nur beschleunigen." (Die futuristische Küche: 78) Das avantgardistische Kunstverständnis räumt aber nicht nur mit dem herkömmlichen Gegensatz zwischen Hoch- und Volkskultur auf, sowie dem zwischen Kochen und Kunst. Durch ihre Kritik an der idealistischen Ästhetik eines schöngeistigen und außeralltäglichen Kunstgeschmacks (des interessenlosen Wohlgefallens an Meisterwerken) will die Taverne zum Heiligen Gaumen einen realen Kunstgenuss bieten, dadurch dass die Beteiligten "die Sensation erleben, Kunstwerke zu essen" (Die futuristische Küche: 159). Dem entsprechend weisen die Futuristen auch den bürgerlichen Vorbehalt als unhaltbar zurück, Kunst dürfte, um wahre Kunst zu sein, nicht nützlich sein und von daher auch nicht schmecken. Tatsächlich vertritt Adornos Kunsttheorie die Auffassung, dass die "Emanzipation der Künste von den Erzeugnissen der Küche [...] irrevokabel" sei. (Anm. 8) Daran ist zwar die Ablehnung der idealistischen Geschmacks­ästhetik Kants richtig, der zufolge nur etwas als "Kunst" goutiert werden kann, was "schön" ist. Daraus folgt indessen nicht, wie Adorno fordert, dass jede Kunst nichtschön und geschmacklos sein muss. Für Adorno ist "Kunstgenuß nach dem Modell realen Genießens" (Adorno, ebd.) undenkbar. Aber so wahr dies für die meiste Kunst auch ist, die mehr als gefällig sein will, so unzutreffend ist es für die Koch-Kunst. Für diese muss Adornos ästhetische Theorie wieder vom Kopf auf ihre Füße gestellt werden und sein Diktum zur geschmacksästhetischen Urteilskraft für die Kochkunst revidiert werden. Adorno schreibt: "Tatsächlich werden Kunstwerke desto weniger genossen, je mehr einer davon versteht" (ebd. 27). Dem ist seit der futuristischen Künstlerküche entgegen zu halten: Wer Kunstwerke konkretistisch genießt, ist kein Banause, sondern ein Kenner.

Bevor wir die Speisen der futuristischen Küche im Detail zu schmecken bekommen werden, ist festzuhalten: Die Künstler-Küche und Taverne zum Heiligen Gaumen verbindet Leben und Kunst, sie untergräbt die Trennung von Hoch- und Volkskultur, sie löst den Gegensatz zwischen professionellem Meisterwerk und alltäglicher Köchelei auf und sie nimmt Abschied vom ästhetischen Grundgedanken, dass wahre Kunst nicht echter Genuss sein kann. Und doch ist hier seitens eines philosophischen (bzw. genauer: eines gastrosophischen) Kunstbegriffs schon ein Einwand geboten. Denn die Künstlerküche der Futuristen setzen die traditionelle (idealistische) Ästhetik und ihre Hochkultur darin fort, dass ihr Formprinzip sich primär über die Kreativität eines "genialen" Künstlersubjekts definiert. Dessen Kreativität besteht in der schöpferischen Freiheit einer gänzlich ungebundenen (willkürlichen, herrschaftlichen) Gestaltung ihres Gegenstandes. Im Falle der Kochkunst räumt diese Genialität oder Originalität dem Material und seinen Eigenschaften nicht das gleiche Recht und die innere Notwendigkeit wie technische Stimmigkeit einer mimetischen (Material-) Gerechtigkeit im "Vorrang des Objekts" ein, die Adorno für die künstlerische Praxis fordert.(Anm. 9) Dem futuristischen Stilprinzip gemäß entwirft der Künstlerkoch die Speise als geniales Werk. Durch den programmatischen Vorrang des Werks und des (Künstler-)Subjekts kommt es zum rein ästhetischen oder ästhetizistischen Imperativ der ständigen Produktinnovation, bei der die Idee das Material und seinen geschmacklichen Eigensinn willkürlich beherrscht, überwältigt, verkleidet oder ganz durch die Künstlichkeit der Gestaltung zerstört. Gegen diesen kulinarischen Ästhetizismus vertreten namhafte Künstlerköche, wie Beuys, Kubelka oder Froelich, später eine mimetisch-ästhetische Küche. (Anm. 10) Aber dieser Ästhetizismus führt uns zunächst in die originelle Welt der futuristischen Speisen, die für eine Revolution des Geschmacks geschaffen werden.

Schöne Erfindungen der futuristischen Kunstköche

Gemäß der erwähnten Grundsätze kommen die futuristischen Künstlerköche dem genieästhetischen Imperativ nach, nur Originelles zu produzieren. So erfindet der unermüdliche Schöpfer Fillià Kreationen wie das Exaltierte Schwein. Dazu wird eine rohe, abgepellte Salami in einem Teller serviert, der sehr heißen Espresso-Kaffee enthält, gemischt mit viel Eau de Cologne. Das symbolträchtige Tellermonument der Fleischplastik wiederum besteht aus einem großen zylindrischen Stück Kalbsbraten, der mit elf verschiedenen Sorten gekochtem Gemüse gefüllt ist, das eine synthetische Interpretation der Gemüsekulturen, der Gärten und der Felder Italiens darstellt. Dieser senkrecht in der Mitte des Tellers aufgestellte Zylinder wird von einer dicken Honigschicht bekrönt und an der Basis von einem Wurstring getragen, der sich auf drei vergoldete Kugeln aus Hühnerfleisch stützt.

Auch erfindet der futuristische Kochkünstler mit dem Simultanessen eine versierte Form von Fast Food, das bereits eine kulinarische Schnittstelle zur künstlichen Ernährung markiert: Für Kaufleute, die vom Sturm der Geschäfte daran gehindert werden, sich im Restaurant aufzuhalten oder nach Hause zurückzukehren, wird ein Simultanessen zubereitet, das ihnen erlaubt, die verschiedenen Aktivitäten (schreiben, gehen, reden) fortzusetzen und gleichzeitig Nahrung zu sich zu nehmen. Eine weitere Besonderheit des kulinarischen Futurismus sind gastro-psychotherapeutische Verfahren. Die diätetische Verbindung von Kochkunst und Heilkunst wird dabei jedoch nicht unter einem leiblichen Gesichtspunkt verfolgen, d.h. es geht nicht um die Wirkung des Essens auf die körperliche Gesundheit, wie dies in der hippokratischen Ernährungsmedizin der Fall ist. Die Künstler interessieren sich für den entgegen gesetzten Prozess: den Einfluss der Nahrungsstoffe auf das psychische Befinden. Daher erhebt Marinetti neben der unbedingten Originalität und genialen Extravaganz der Werke zum Programm, durch eine entsprechende "Harmonisierung" der Speisen "wichtige Seelenzustände" hervorzurufen und insbesondere, so die erklärte Absicht, Fröhlichkeit und Optimismus zu erzeugen. Das Mittel dieser gastrotherapeutischen Behandlung, um den psychischen Haushalt der "lethargischen und zu ungesundem Skeptizismus" neigenden Zeitgeist-Seele heilen zu helfen, sind die so genannten suggestiven und determinierenden Diners. Mit ihrer Hilfe soll der allgemeine Bewusstseinszustand verbessert werden.

Das Sommeressen für Malerei und Bildhauerei, welches Marinetti kreiert, soll direkt auf das Zusammenwirken von Geist und Körper, Gemütszustand und Tatkraft, Kunstschaffen und Verdauungsaktivität Einfluss nehmen. "Nach einer langen Ruhezeit", so die Erklärung, "würde ein Maler oder Bildhauer, der seine schöpferische Tätigkeit im Sommer um 3 Uhr nachmittags wieder aufzunehmen wünscht, vergebens versuchen, die eigene Inspiration durch ein traditionell üppiges Essen anzuregen. Von jenem beschwert, müsste er Verdauungsspaziergänge unternehmen und würde bei zerebraler Unruhe und Pessimismus enden, um den Tag mit künstlerischem Herumschlendern zu verbringen, ohne doch Kunst zu schaffen." Wer es hingegen als Künstler wirklich zu etwas bringen will und die wahren Quellen seiner unerschöpflichen Schaffenskraft kennt, muss wissen, wie sein Geist richtig speist. Geraten wird zu einer mediterranen Kost, die durch kluge Kombinationen der Zutaten die geistigen Kräfte stärkt. Dafür kommt in Frage: eine Suppenschüssel voll schöner Tomatensoße, eine große gelbe Polenta, einen Haufen grünen Salat, dicht angerichtet und ohne Teller, ein Schälchen Olivenöl, ein Schälchen mit kräftigem Essig, ein Schälchen Honig, ein großes Bund roter Radieschen, einen Haufen weißer Rosen mit entsprechenden Dornenstielen. (vgl. Die futuristische Küche: 167)

Das epistemische Zusammenspiel von Bewusstsein und Küche macht sich die futuristische Gastrosophie auch in einer anderen Hinsicht zunutze: und zwar über die Speisesprache. Anders aber als in der Haute-Cuisine-Rhetorik, die durch Formeln und Semantik ihren Werken einen "geschmacklichen Zusatz" andichtet und so die sprachlichen Zusatzmittel als eine Art künstliche Geschmacksverstärkung einsetzt – man denke hier zum Beispiel an das "Mousse von Erdäpfeln auf mariniertem Gemüsebeet" als Poetisierung eines Karoffelbreis mit Erbsen aus dem Glas - anders also als in der Haute-Cuisine täuscht die futuristische Menüpoesie nichts vor: Die parodistischen Anspielungen einer simplen Metaphorik, die das Eine für das Andere nimmt, zertrennen durch konzeptuelle Bedeutungsverschiebungen bewusst die trügerische Einheit von Signifikant und Signifikat. Die futuristischen Küchenmeister spielen mit der Differenz zwischen der Bezeichnung und dem Ding an sich. In der provokanten Metaphorik und willkürlichen Poetik ihrer Speisekarten dominiert künstlerische Freiheit vor dem kommerziellen Trug, mit etwas Appetit zu machen, das es selbst nicht ist. Auf diese Weise entstehen Bezeichnungen und Speisekunstwerke, wie "Eingekerkerte Düfte" oder "Netzwerke des Himmels", "Pikanter Flughafen", "Exaltiertes Schwein", "Kosmische Erscheinungen", "Worte in Freiheit", "Tennis-Koteletts", "Essbare Skifahrer", "Berauschtes Kalb", usw. Über diese Konzeptkunst hinaus nutzt der Dichter Marinetti auch die natürliche Zeichenfunktion der Nahrungsmittel als illustrative Erzählmittel, so dass der Tafelteller buchstäblich zum Tafelbild wird – ein stilistisches Verfahren, das von den Nouvelle Cuisine aufgegriffen und bis ins Extreme radikalisiert wird. Eines dieser Kunstwerke trägt den Titel "Meerestafel der befreiten Worte". Dazu wird erläutert: "Auf einem Meer von krausem Salat, der hier und da mit Quarkspritzern verziert ist, schwimmt eine halbe Wassermelone, an Bord die Skulptur eines kleinen Kommandanten aus holländischem Käse, der eine schlaffe Mannschaft befehligt, die von Kalbshirn, in Milch gekocht, angedeutet wird. Wenige Zentimeter vor dem Bug eine Klippe von Pfefferkuchen aus Siena. Man bestreue das Schiff und das Meer mit Zimt oder rotem Pfeffer." (Die futuristische Küche: 167)

Auch das Tafelwerk "Äquator + Nordpol" des futuristischen "Luftmalers" Prampolini lässt ein Landschaftsbild entstehen: Ein äquatoriales Meer aus Eidottern mit Austern, Pfeffer, Salz, Zitrone. Aus dem Mittelpunkt ragt ein Kegel aus geschlagenem, gestocktem Eiweiß hervor, umkränzt von Orangenscheiben wie saftigen Abschnitten der Sonne. Die Spitze des Kegels wird mit schwarzen Trüffelstücken besetzt sein, die in der Form von Flugzeugen bei der Eroberung des Zenits geschnitten sind. Die kulinarische Ästhetik der Futuristen erfindet schließlich eine ganze Propädeutik der Geschmackserfahrung, beispielsweise mit Filliàs "Essen für den Tastsinn", um über den Kunstgenuss die Sinne zu inspirieren, neue Wahrnehmungsfähigkeiten zu aktivieren und das eigene Geschmacksvermögen durch eine sensibilisierte Sinnlichkeit üben. Auf diese Weise entwickelt die avantgardistische Ess-Kunst Methoden, die zu einer "Neuen Sensibilität" animieren, wie dies später von Herbert Marcuse und anderen Wortführern einer emanzipatorischen Kunstpraxis gefordert wird. (Anm. 11) In jüngster Zeit kommen diese Methoden der aktionistischen Wahrnehmungs­sensibilisierung in verschiedenen Varianten einer (ästhetisch-didaktischen) Geschmacksschulung zum Einsatz, bei der es um die gastrosophische Reaktivierung des allgemein verkümmerten Geschmackssinns geht. (Anm. 12)

Bei dem besagten "Essen für den Tastsinn" (vgl. Die futuristische Küche: 149f.) sorgt der Gastgeber in Zusammenarbeit mit freiwilligen Helfern dafür, dass für jeden Eingeladenen ein Pyjama zur Verfügung steht. Jeder Pyjama ist mit verschiedenen, zum Berühren bestimmten Stoffen, wie Schwämme, Korken, Glaspapier, Filze, Aluminiumplatten, Bürsten, eiserne Besen, Pappen, Samt und Seide oder dergleichen bestückt. Ein paar Minuten vor dem Essen muss jeder Gast einen der Pyjamas anziehen. Dann werden alle in einen großen dunklen Saal ohne Möbel geführt: ohne etwas zu sehen, muss jeder Gast nach der Inspiration seines Tastsinns schnell den eigenen Tischgenossen auswählen. Nachdem die Wahl getroffen ist, werden alle in das Speisezimmer geführt, das mit vielen kleinen Tischen für zwei Personen ausgestattet ist: man staunt über den eigenen Tischgenossen, der einem durch die Sensibilität der Finger gegenüber den betastbaren Stoffen zugeteilt wurde. Es wird nach der folgenden Speisekarte serviert: 1) "Polyrhythmischer Salat": die Kellner gehen auf die Tische zu und bringen jedem Gast eine Schachtel mit einer Kurbel in der linken Wand, während ein kleines Porzellangefäß zur Hälfte in die rechte Wand eingefügt ist. In dem Gefäß sind rohe Salatblätter, Datteln und Weintrauben. Jeder Gast benutzt die rechte Hand, um ohne Besteck den Inhalt des Gefäßes zum Munde zu führen, während er mit der linken Hand die Kurbel dreht. So wird die Schachtel musikalischer Rhythmen von sich geben: daraufhin beginnen alle Kellner vor den Tischen einen langsamen Tanz mit großen geometrischen Gebärden, bis die Speisen verzehrt sind. 2) "Zauberspeise": man bedient sich handlicher Näpfe, die außen mit rauen Stoffen zum Anfassen bedeckt sind. Man muss den Napf mit der linken Hand halten und mit der rechten die geheimnisvollen Kugeln ergreifen, die darin enthalten sind: es sind alles Kugeln aus gebranntem Zucker, aber jede mit verschiedenen Bestandteilen gefüllt (etwa kandierte Früchte oder Scheiben von rohem Fleisch oder Knoblauch oder Bananenbrei oder Schokolade oder Pfeffer), so dass die Gäste nicht erahnen können, welchen Geschmack sie gerade zum Munde führen. 3) "Berührungsgarten": vor den Gästen werden große Teller aufgestellt, die zahlreiche ungesalzene, rohe und gekochte Gemüsesorten enthalten. Von diesem Gemüse kann man nach Belieben kosten, aber ohne Zuhilfenahme der Hände, denn man muss mit dem Gesicht in den Teller tauchen und so durch den direkten Kontakt der Haut der Wangen und der Lippen mit den Geschmacksnuancen der Gemüsesorten den eigenen Geschmackssinn inspirieren lassen. Jedes Mal, wenn die Gäste aus dem Teller auftauchen, um zu kauen, spritzen ihnen die Kellner Lavendel und Eau de Cologne ins Gesicht. Zwischen den einzelnen Gängen müssen die Gäste, da das ganze Essen auf dem Vergnügen des Tastsinns beruht, ununterbrochen ihre Fingerkuppen anfühlen, indem sie den Pyjama des Tischnachbarn berühren. – Das Happening Essen für den Tastsinn inszeniert eine experimentelle Phänomenologie der Wahrnehmung, welche die verkümmerten Möglichkeiten leiblicher Selbsterfahrung und die erlahmten Sinne des Riechens, Hörens, Schmeckens, Fühlen und Sehens in ihrem synästhetischen Zusammenspiel wieder beleben soll. (siehe Harald Lemke, Phänomenologie des Geschmackssinns, 2005)

Exkurs zum "El Bulli" von Ferran Adrià

Auch die Kochkunst der preisgekrönten Berufsköche definiert sich über das Paradigma eines futuristischen Kunst-Kochens. Als neuer Star unter den Spitzen­gastronomen wird der Katalane Ferran Adrià gefeiert. "Ferran Adrià gilt als der innovativste, der kreativste, der verrückteste Koch auf Erden." (Anm. 13) In seinem Luxusrestaurant "El Bulli" im Nordosten Spaniens "revolutioniert" Adrià die Küche durch abenteuerliche Kombinationen von Lebensmitteln und neuartigen Würz­mischungen. "Er sucht nach dem ganz anderen, nach einer nie da gewesenen Dimension." (Anm. 14) Mit seinem Bruder Albert, dem Dessertspezialisten, und einem weiteren Subkoch experimentiert er mit möglichst Ausgefallenem oder er versucht, Wohlbekanntes ganz neuartig einzusetzen, um "Magie" zu schaffen. "Die magischen Gerichte", sagt Ferran Adrià, "sind jene, die die einen ekelhaft finden und die anderen fantastisch." (zitiert in: Lechner ebd.) So kreiert der Starkoch beispielsweise Teig, der in Wahrheit keiner ist, sondern aus heißer Gelatine besteht. Er geliert Hühnerbrühe mit Hilfe von japanischem Agar-Agar. Und dieses Gelee zerläuft nicht in kochendem Wasser, es schmilzt nicht unter dem Gratinier-Grill. Ein weitere Sensation nach Rezeptur seiner Experimentalküche sind Schäume. Die luftigen Gebilde erhalten Festigkeit ganz ohne Sahne oder Eiweiß, nur durch Gaszufuhr im Metall-Siphon. Mit futuristischer Technologie gelingt es Adrià, das aromareiche Nichts eines Rauchschaums ("espuma de humo") zu erschaffen. Dazu präsentiert der Speisekünstler die Aromen nicht konventionell mit Butter, Sahne oder Ei, sondern extrahiert sie künstlich zu portionierten Essenzen. Eine andere provokante Kreation, "sashimi de gamba", sieht eine Kunststoffpipette vor, auf deren Röhrchen ein Garnelenschwanz steckt und der karamellisierte Kopf einer Garnele. Der Kellner gibt die Essanleitung: Erst den Garnelenkopf knabbern, dann den Schwanz vom Röhrchen streifen! Und zum Schluss die Soße aus der Pipette direkt in den Mund spritzen.

Als Spielplatz und Labor hat sich der Kochkünstler ein taller eingerichtet, eine Atelier-Werkstatt in Barcelonas Altstadt, die mit den modernsten Eismaschinen, Schneidgeräten, Mixern, Öfen und Induktionsherden ausgerüstet ist. Die Innen­architektur des Arbeitsraums mutet an wie eine konsequente Umsetzung der futuristische Küchenphilosophie: blitzendes Edelstahl, kühles Design aus grauem Marmor und große nackte Flächen. Der Autodidakt erhält für seine Kunst regelmäßig die höchste Auszeichnung der Berufsküche, die drei Michelin-Sterne. Der stilistische Rigorismus dieses kulinarischen Systems lässt der geschmacksästhetischen Erfahrung freilich keinen Spielraum mehr für eine selbstbestimmte Rezeption. Die Küche entscheidet diktatorisch, wie die Gäste die Wunderwerke zu schmecken haben, indem die Reihenfolge ihrer Darbietung strikt festgesetzt ist. Der Kellner erteilt den Befehl: "Schnecke, Schnecke, Fenchel; Schnecke, Fenchel; Schnecke, Butterravioli, Schnecke." Dann fordert der junge Mann in dunkelblauer Uniform dazu auf: "Das Glas langsam und in einem Zug leeren, ohne beim Trinken abzusetzen". Gleichzeitig werden Flöten ausgehändigt, etwas größer als Grappa­gläser. Sie sind gefüllt mit grüner Flüssigkeit. Wer den Kopf folgsam in den Nacken legt und schluckt, erlebt die erstaunliche Verwandlung von heißer Erbsensuppe in warme, dann kalte. Als Abgang bleibt kräftiger Minzgeschmack auf der Zunge. Angesichts dieser repressiven Didaktik trifft der Kommentar zu: "Man isst nicht, man unterzieht sich einer Behandlung." (Der Spiegel, Im Mund explodiert, a.a.O.)

Adrià versteht sich als der Apicius der Gegenwart: Nichts ist, was es scheint. Das Couscous entpuppt sich als Blumenkohl in stecknadelkopfgroße Röschen zerteilt, die Soße liegt in ihre festen Gewürz- und Kräuterkomponenten aufgespalten am Tellerrad. "Royal von Seeteufelleber mit Soja und sieben Südfrüchten" mutiert vom Ekel über den intensiven Lebertrangeschmack zum unvergleichlichen Kitzel. Die Entenmuscheln umgibt ein Gelee aus ihrem eigenen Wasser, ein Schaum von Algen lässt die Ahnung von Jod im Mund zurück. So verleibt sich der Esser das reine Meer ein. Er erfährt den Ozean elementarer als beim Bad oder beim Strandspazier­gang im Sturm – Essen als existenzielles Erlebnis. (vgl. Im Mund explodiert, a.a.O.) Schließlich hören wir den begeisterten Kommentator eine bekannte, oft wiederholte Einschätzung äußern: "Mit seiner Idee vom gastronomischen Fest hat Adrià inzwischen eine ganze Generation junger Köche inspiriert. Durch seine Neuerungen in der Kochtechnik löste er einen Boom aus, von dem alle in Spanien profitieren. Was er für die Gastronomie getan hat, kommt der zweiten Revolution nach der durch die Nouvelle Cuisine ausgelösten Befreiung von stundenlangen Garzeiten gleich." (Der Spiegel, Im Mund explodiert, a.a.O.)

Dass dies angesichts der langen Geschichte der Kochkunst zweifellos übertrieben erscheint, ist hier ebenso wenig zu vertiefen wie die Tatsache, dass Adrià seine Kunst im großen Stil als Eventgastronomie vermarktet (dazu mehr im folgenden Kapitel). – Wie wir gesehen haben, teilt er diesen (wahrlich wenig innovativen) Drang zur totalen Ästhetisierung mit seinen futuristischen Vorgängern und den meisten Kochkünstlern. Vielmehr interessiert der folgende Hinweis auf den prinzipiellen Unterschied zwischen der Nouvelle Cuisine und dieser neofuturistischen Küche: "Oberstes Ziel beider Schulen ist die Reinheit des Geschmacks. Doch während die Jünger von Bocuse die Produkte möglichst naturbelassen auf den Teller brachten, verändert Adrià Form, Textur und Temperatur." (Der Spiegel, Im Mund explodiert, a.a.O.) Durch ihre konzeptuelle Nähe zur Lebensmittelchemie, zu Aroma-Design und Food-Processing treibt die futuristische Ästhetik des Katalanen jene Übereinstimmung zwischen dem traditionellen Gaumen mit dem Geschmack der Zukunft einen entscheidenden Schritt voran, die sich Marinetti herbeiwünschte. Das "El Bulli" liegt direkt auf dem Weg von Figueres, dem Domizil des Surrealisten Salvador Dalí, nach Cadaqués. – Dieser Umstand mag einen auf den Gedanke gebracht: "Was, wenn Ferran Adrià der wiedergeborene Dalí ist? Und das, was er als Essen verkauft, surrealistische Kunst?" (Wolfgang Lechner, Der Chemiker, a.a.O) Zwar trifft zu, dass Dalí auch ein respektabler Lebensmittel-Künstler war. Aber weit mehr gilt es sich klarzumachen, dass Adriàs "El Bulli" auf ihren (zwiespältigen) Entstehungsherd in Marinettis "futuristischen Küche" zurückverweist.

Bankett-Aktionen und Tafelvergnügen

In formaler (formalästhetischer) Hinsicht, und über die inhaltliche Thematisierung realer gesellschaftlicher Geschmacksfragen und deren Wahrnehmung hinaus, zählt die Ess-Aktionskunst zu der vielleicht einflussreichsten Innovation der Futuristen. Denn ein wesentlicher Teil ihrer Koch-Kunst wird darin bestehen, Essaktionen und Bankett-Happenings zu veranstalten. Diese aktionistischen Inszenierungen tragen am Ende jedoch nicht mehr zu einer kulturellen Veralltäglichung der Kochkunst als einer Lebenskunst bei, sondern betreiben statt dessen eine Totalästhetisierung des kulinarischen Geschehens: Anstelle einer lebens- bzw. kochkünstlerischen Erneuerung der kunstlosen Ernährungsverhältnisse durch eine gestaltungsfreudige Alltagsküche wird eine Eventgastronomie in den konzeptuellen Mittelpunkt gestellt, die künstliche Erlebniswelten schafft. Dieser Drang zum ästhetizistischen Gesamtkunst­werk macht es konzeptuell notwendig, dass die futuristischen Kunst-Küche in der repräsentativen Form von zahlreichen, groß angelegten Bankett-Happenings und aufwendigen Festessen veranstaltet wurde. Beispielsweise das "Große futuristische Bankett in Paris": Zur Kolonialausstellung (1932) gestaltete der futuristische Architekt Fiorini einen spektakulären Pavillon, in dem für den Ausstellungszeitraum ein italienisches Restaurant betrieben wird. (Anm. 15) Das Innere des Pavillons besteht aus einem großflächigen Saal, der über hundert, traditionell weiß gedeckte Tisch präsentiert. Der futuristische Maler Prampolini richtet den Raum mit acht aufwendig dekorierten Paneelen ein. Sie verfolgen die symbolische Anspielung zum Thema der Ausstellung und "gaben dem Lokal eine afrikanische und zugleich mechanische Atmosphäre, die glänzend den Willen ausdrückte, die kolonialen Motive einer modernen und futuristischen Empfindung gemäß zu deuten." (Die futuristische Küche: 97) (Anm. 16) Zwischen den Gerichten sind Tanz-, Gesangs- und Musikeinlagen vorgesehen. Den Schluss dieses Banketts bilden Duftstoffeinsätze, "Polygetränke" und Geräusche und Lieder aus Italien. Zu den Gästen, die diesem Spektakel beiwohnen, zählen Regierungsvertreter, Politiker, Rechtsanwälte, Mediziner, Kunstkritiker und Adlige – "die besten Persönlichkeiten von Paris".

Ein schriller Gongschlag, verbunden mit dem überraschenden Einsatz von grünem Licht, eröffnet das Festmahl. Man beginnt die Gänge anzukündigen und zu erläutern. Marinetti hat die Ehre, den Bankettvorsitzenden zu spielen; er preist es als eine exemplarische Manifestation der "futuristischen Küche". Während sich der Beifall bei seiner kurzen Ansprache erhebt, erscheint plötzlich die berühmte afroamerikanische Künstlerin Joséphine Baker im Saal. Sie bleibt bis zum Ende des Abends, den die Anwesenden mit ausgelassenem Tanz abfeiern. Der Darstellung dieses Happenings ist der irritierende Sachverhalt zu entnehmen, dass ausgerechnet Baker, diese frühe Ikone einer demokratischen Massenkultur, die als schwarze Künstlerin eine hybride Selbst­konstruktion mit weiblichem Sexappeal zu verbinden wusste, zur triumphalen Vollendung der futuristische Küche beitragen sollte: "Joséphine Baker, die plötzlich zur höchsten lebendigen Hauptattraktion geworden war, spielte eine äußerst wichtige Rolle beim Gelingen des Festes: in der Tat war ihrem unwiderstehlichen Zauber die Überwindung der letzten Zweifel bei den Teilnehmern über die Konsequenzen der futuristischen Küche zuzuschreiben." (Die futuristische Küche: 104) (Anm. 17) Diese bemerkenswerte Allianz steht in einem krassen Widerspruch zu den weltanschaulichen Prämissen der futuristischen Künstlerbewegung, die zunehmend im Vorder­grund standen und den emanzipatorischen Ansatz der Künstlerküche dann vollständig verdrängten: ihr antifeministischer Sexismus und nationalistischer Rassismus, der jene respektablen Neuerungen im Selbstverständnis und in der Praxis moderner Kunst überschattet, die in künstlerischer Hinsicht mit Marinetti und seinen Mitstreitern in Verbindung gebracht werden können.

Attacke gegen die Nudel

Die antidemokratische und simplifizierende Sozialkritik der Futuristen– der wir uns im folgenden vorsichtig annähern müssen – lässt keinen Zweifel darüber aufkommen, was ihrer Auffassung zufolge die wesentlichen Fehlentwicklungen der vorherrschenden Ernährungsgewohnheiten sind: Man bekämpft "die Pfützen der Soßen" und "die liederlichen Speisefetzen" der bürgerlichen Küche, vor allem aber wird das italienische Nationalgericht attackiert: die "pasta asciutta". (Die futuristische Küche: 74)

Dem entsprechend will eine Grundforderung ihrer revolutionären Zukunftsdiät die Abschaffung der Nudeln. Indessen stehen bei der Kampagne gegen die Spaghettis keine Geschmacksfragen im Vordergrund, vielmehr meint Marinetti in der populären Mehlspeise vielfältige Symptome einer gesundheitlich gefährlichen Diät ausmachen zu können, die das körperliche und seelische Wohlbefinden angreife. Marinetti führt die ernährungswissenschaftlichen Hintergründe für die entsprechenden körperlichen Vorgänge an: "Im Unterschied zu Brot und Reis ist die Pasta asciutta eine Nahrung, die man hinunterschlingt, aber nicht kaut. Diese stärkehaltige Nahrung wird zum großen Teil durch den Speichel im Mund verdaut, und Pankreas und Leber sind von der Verdauungsarbeit entbunden. Dies führt zu einem Ungleichgewicht mit Störungen dieser Organe. Davon leiten sich ab: Schlappheit, Pessimismus, nostalgische Untätigkeit und Neutralismus." (Marinetti, Die futuristische Küche: 26) Aufgrund der Untätigkeit der inneren Organe und schlaffer Verdauungskräfte blockiere die Maccaroni-Diät jede höhere Entwicklung und zwinge den Menschen einen lethargischen Gemütszustand auf. Dadurch untergrabe sie jede psychosomatische Integrität und zukunftstaugliche Seelengröße. Daher stehe, so der selbst ernannte Diätetiker, häufiges Nudelessen "im Gegensatz zum lebendigen Geist und zur leidenschaftlichen, großzügigen und einfühlsamen Seele" (Die futuristische Küche: 25). Zuletzt zerstöre die tägliche Pasta die physischen Voraussetzungen für die Entwicklung eines revolutionären Geistes und lasse in ihren Konsumenten ein notwendig falsches Bewusstsein wachsen. "Indem sie Pasta essen, entwickeln sie den typischen ironischen und sentimentalen Skeptizismus, der oft ihren Enthusiasmus beschneidet", findet Marinetti (Die futuristische Küche: 25).

Auch wenn er durchaus mit nahe liegenden Einwänden gegen diese krude Version einer materialistischen Anthropologie rechnet, genügt ihm der schematische Gebrauch eines alimentären Totalitarismus: "Auch wenn wir zugeben, dass schlecht oder grob ernährte Menschen in der Vergangenheit oft Großes geleistet haben, verkünden wir dies als Wahrheit: Man denkt, man träumt und man handelt nach Maßgabe dessen, was man trinkt und ißt." (Ebd., 24) Trotz des deutlichen Anklangs von Feuerbachs gastrosophischer Anthropologie und ihrem Grundsatz, wonach der Mensch ist, was er isst, spiegeln sich in dem reduktionistischen Materialismus der Futuristen nicht so sehr die Gedanken von Feuerbach wider als vielmehr jene völkerkundliche und nationalistisch deformierte Kulinaristik des Kochkunsttheoretikers Karl Friedrich von Rumohr.

Bei Rumohr heißt es: "Stumpfsinnige, für sich hinbrütende Völker lieben mit schwer verdaulicher, häufiger Nahrung gleich den Masttieren sich anzustopfen. Geistreiche, aufsprudelnde Nationen lieben Nahrungsmittel, welche die Geschmacksnerven reizen, ohne den Unterleib zu beschweren. Tiefsinnige, nachdenkende Völker geben gleichgültigen Nahrungsmitteln den Vorzug, als welche weder durch einen hervorragenden Geschmack, noch durch eine schwerfällige Verdauung die Aufmerksamkeit zu sehr in Anspruch nehmen." (Anm. 18) – Und doch wirkt der futuristische Fluch auf die Nudel als der Ursache für die vermeintliche Dekadenz der italienischen Kultur und der Lob des Reises (oder des Brots) als dem alleinigen Heilsmittel, den gefährdeten Gesellschaftskörper zu retten, letztlich wie ein bewusstes Plagiat der Feuerbachschen Idee einer revolutionären Diät. (Anm. 19) Diese vertritt den absurden Glauben, der untertänige und undemokratische Charakter der Deutschen könne sich durch einen Diätwechsel – nämlich von der Kartoffelkost zu Hülsenfrüchteküche – von Grund auf ändern, weil durch "bessere", nämlich phosphor- und eiweißhaltige Nahrungsstoffe eine Befreiung der Deutschen von ihrer preußischen Obrigkeitsmentalität und alltäglichen Bereitschaft, die Vorherrschaft von "geistloser Stärke" zu "verinnerlichen", möglich sei. (Anm. 20)

In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, wie André Breton (dessen "Manifeste des Surrealismus" zur selben Zeit entstehen) zu der Idee, die kulinarische Praxis als revolutionäre Praxis zu begreifen, Stellung nimmt. Explizit bezieht sich Breton auf Feuerbachs gastrosophischen Materialismus, den dieser, so Breton mit Bewunderung, "der verblüfften intellektuellen Welt ins Gesicht geschleudert" habe. (Anm. 21) Wenngleich sich darin die Bereitschaft des französischen Surrealisten ausdrückt, die provokante Neuartigkeit dieses Gedankens anzuerkennen, so geht es Andre Breton doch um eine eindeutige Zurückweisung dessen revolutionstheoretischen Potentials und damit auch um die programmatische Ablehnung des futuristischen Programms seines Zeitgenossen Marinetti. Der führende Kopf der surrealistischen Bewegung Breton kann sich jedenfalls mit der Idee, "dass eine künftige Revolution erfolgreicher verlaufen müsse, wenn das Volk eine bessere Nahrung" genösse, nicht anfreunden. (Anm. 22)

Die futuristische Bewegung verschreibt sich aber einer biologistischen Vorstellung, die eine Veränderung der Gesellschaft von der Substitution eines Grundnahrungsmittels durch ein anderes abhängig macht. Die Futuristen denken ihre propagierte "Ernährungsrevolution" als ein Heranzüchten der physischen Materialität eines neuen Gesellschaftskörpers.

So zerfällt die ästhetische Utopie der futuristischen Küche in zwei diametrale Stücke: einen (semi-)gastrosophischen Teil, wie er in den vorangegangenen Ausführungen dargestellt wurde, dessen Kern die kulturelle Aufwertung des Essenmachens, des Kochen als einer vollwertigen Kunst bildet. Im krassen Gegensatz dazu wird der Gedanke einer völligen Erneuerung der Ernährung in einen ideologischen Rahmen eingespannt, der von einem technologischen Fortschrittswahn in Verbindung mit einem antidemokratischen und profaschistischen Weltbild zusammengehalten wird. In diesem totalitären Gehäuse reduziert sich die avantgardistische Revolution der Kochkunst und der gastrosophische Aufbruch zu "neuen Küchenhorizonten, um den Geschmack und die Begeisterung für das Essen wieder zu wecken" (Die futuristische Küche: 74), auf die totalitäre Ideologie eines nutritiven Futurismus.

Futuristismus der Nahrungsproduktion

Die futuristische Küche mutiert zu einem technoiden Nahrungsdispositiv: Nicht die Kunst des Kochens und nicht die alltägliche Vervollkommnung einer geschmackvollen Mahlkultur, sondern der Fortschritt der modernen Naturwissenschaft und ihrer technologischen Anwendungen werden nun zu jenen phantastischen Mitteln glorifiziert, die eine – mit den Mitteln der individuellen Kreativität undenkbare – Perfektionierung der Nahrungsproduktion und die planmäßige Manipulation des Geschmacks, des Geruchs, usw. ermöglichen, um ultimativ "den Gaumen auf die künftige Ernährungsweise" (Die futuristische Küche: 77) vorzubereiten. In dem programmatischen Glauben an den technischen Fortschritt einer industriellen Lebensmittelproduktion kommt der "Futurismus", als weltanschauliche Ideologie, zu sich selbst und streift den revolutionär-emanzipatorischen Anspruch ab, eine künstlerische Praxis zu veralltäglichen. Es wird die heroische Verbindung einer Ästhetik der Maschine mit synthetischer Chemie propagiert, die in der Verherrlichung des technischen Geräts und der Lebensmitteltechnologie als ultima ratio des alimentären Produktionsprozesses kulminiert.

Unter dem elften Grundsatz des Ernährungs-Manifests skizziert Marinetti, wie erwähnt, die "Ausstattung der Küche mit wissenschaftlichen Instrumenten". Es entsteht das Phantasma einer Futurologie, die heute tatsächlich an Realität gewinnt. Erwähnt werden bei den Futuristen aromatechnologische "Ozonisatoren", die flüssigen und festen Lebensmitteln den Duft des Ozons geben. Auch an den Einsatz von nahrungsfunktionellen Techniken wird gedacht. So an "Lampen für ultraviolette Strahlen", wozu Marinetti die ernährungsmedizinische Erläuterung beisteuert: "da viele Nahrungsmittel, die Ultraviolett bestrahlt werden, aktive Eigenschaften annehmen, die Rachitis bei Kindern verhindern usw.". Vor allem aber geht es um die großmaschinelle Aufrüstung des Food-Processing durch "elektrische Geräte, um Säfte, Extrakte usw. zu bereiten, um derart aus einem bekannten Produkt ein neues Produkt mit neuen Eigenschaften zu gewinnen." Die heute großindustriell eingesetzten, so genannten Extruder erträumt sich der hellseherische Futurist als "feinste Mühlen", die eine "Pulverisierung von Mehl, Trockenfrüchten, Gewürzen usw." ermöglichen sollen; außerdem werden Herstellungsverfahren durch "Distillierapparate für normalen Druck" und "für das Vakuum", "Überdruckzentrifugen", "Dialysatoren", und vieles mehr erwogen. Und nicht zuletzt antizipiert der futuristische Food-Designer die industrielle Verwendung von technischen Hilfs- und Zusatzstoffen: "Die chemischen Indikatoren werden Rechenschaft abgeben über den Säure- und Alkaligehalt der Leckerbissen und so mögliche Fehler korrigieren können: zu wenig Salz, zuviel Essig, zuviel Pfeffer, zu süß." (Die futuristische Küche: 30f.)

Wenn heute führende Konzerne computergesteuerte Küchentechnologien für den Hausgebrauch auf den Markt bringen, dann setzt sich darin nicht zuletzt dieser Technizismus der futuristischen Küche um, der in der Lebensmittelindustrie nunmehr real im Großeinsatz ist und gegenwärtig mit Nanophysik, Molekularchemie und Gentechnik noch einmal einen neuen, in die Zukunft weisenden Schub erfährt. Mithin lebt die in dieser futuristischen Ästhetik der maschinellen Nahrungsproduktion wirksame Rationalität von dem Kult einer industriellen Effizienz, von der Religion der grenzenlosen Beschleunigung und Mobilmachung, die, wie es bei Marinetti heißt, "wie der Motor eines Wasserflugzeugs auf hohe Geschwindigkeiten eingestellt" ist. Was in dieser futurlogischen Morgendämmerung nur noch stört, ist der menschliche Faktor: Deswegen fordert der italienische Feinschmecker Marinetti auch einen "wissenschaftlichen Gebrauch der Apparate", damit "z.B. der Fehler vermieden wird, Speisen in Dampfdrucktöpfen kochen zu lassen, deren hohe Temperaturen die Zerstörung der aktiven Stoffe (Vitamine usw.) bewirkt." (Die futuristische Küche: 31)

Durch diesen beiläufigen Hinweis auf die inzwischen geläufigen Vitamine bestätigt sich, dass Marinettis Ernährungswissenschaft keineswegs aus dem hohlen Bauch heraus erdichtet ist. Sie stützt sich auf Kenntnisse des neuesten Standes der naturwissenschaftlichen Ernährungs­forschung, die erst einige Jahre zuvor die biochemischen Eigenschaften und tropho-physiologischen Wirkungen einer neuen Stoffgruppe entdeckt hatte – eben die so genannten "Vitamine". (Anm. 23) Die futuristische Utopie verherrlicht die industrielle Gesundheitskost und macht sie zum Wundermittel einer funktionellen Ernährung, die der Menschheit eine "bessere" Zukunft verheißt. Keine Hülsenfrüchte und Erbsenstoffe oder weniger Fleisch und mehr Gemüse versprechen eine gesellschaftliche Transformation, wie bei Feuerbach oder Nietzsche. (Anm. 24) Statt solcher Anachronismen wird die futuristische "Nutriarznei"-Diät propagiert: "Nehmen wir die Chemie in die Pflicht", fordert der radikale Modernisier und technokratische Fortschrittsvisionär und bringt sich damit in größte Entfernung zum archaisch anmutenden Humanismus der Künstlerküche des "Heiligen Gaumen". Statt dessen geht es ihm um die staatliche Vormundschaft einer zukunftsweisenden Nährstoffchemie: "Sie soll dem Körper schnell die notwendigen Kalorien durch Nahrungsäquivalente zuführen, unentgeltlich vom Staat verteilt, in Pulver- oder Pillenform, die eiweißartige Stoffe, synthetische Fette und Vitamine enthalten."

Marinetti weiß den monströsen Futurismus auch in das handliche Format einer akzeptablen Reformpolitik zu verpacken: "So wird man eine tatsächliche Senkung der Lebenshaltungskosten und der Gehälter bei entsprechender Minderung der Arbeitszeit erreichen." (Die futuristische Küche: 27) Es ist aber auch durchaus denkbar, dass diese realistischen Phantasiebilder einer Welt des Functional Food bereits dem nur einige Jahre später geschriebenen und berühmt gewordenen Science Fiction «Schöne neue Welt» als Anregung und Vorlage dienten. Zumindest liegen die von Aldous Huxleys problematisierten Szenarien der zukünftigen Hightech-Ernährung nicht fern von den revolutionären Träumen, damals wie heute. Ein Kommentar zum Küchen-Manifests radikalisiert den Geist dieses alimentären Futurismus noch einen Schritt weiter, indem er mit dem kühnen Gedanke spielt, dass dereinst vielleicht "Ernährungswellen über das Radio zu verbreiten" (Die futuristische Küche: 73) möglich werden könnte...

An dieser Stelle bleibt festzuhalten: Mit ihrer futuristischen Utopie verstärken die italienischen Avantgardisten einerseits die gesellschaftliche Ausbreitung der modernen Technik und die zu dieser Zeit in der Ernährungsindustrie einsetzende Mechanisierung der organischen Substanz; andererseits treiben die Künstler-Köche die kulturelle Erneuerung und zukünftige Selbst­verständ­lichkeit eines nutritiven Funktionalismus voran. Wie aus einem Werbungspot eines Convenience-Food-Multis entnommen, klingt ihre zukunftsweisende Botschaft: "Man muß, indem man die Art der Ernährung und ihre Bedingungen fortwährend ändert, die alteingewurzelten Gewohnheiten des Gaumens töten, um die Menschen auf die zukünftigen chemischen Nahrungsmittel vorzubereiten". (Die futuristische Küche: 73) Aber kommen wir von der Hochtechnologie noch einmal zurück zur Nudel, die für Marinetti den Volkskörper lähmt.

Nationalküche und antidemokratischer Stahlkörper

Die energische Zurückweisung der Nudelkultur verfolgt neben den diätetischen und ästhetischen Gründe vor allem volkswirtschaftliche Motive eines nationalökonomischen Protektionismus (der inländischen Reisproduktion). Denn "die Abschaffung der Pasta asciutta", argumentiert Marinetti, würde "Italien vom teuren ausländischen Getreide befreien und die italienische Reisindustrie begünstigen". (Die futuristische Küche: 26)

Dabei geht es dem Wortführer des italienischen Futurismus keineswegs um eine Überwindung der kapitalistischen Wirtschaft und der Macht des Weltmarktes. Nicht emanzipatorische Kapitalismuskritik bewegt diese totalisierende Ästhetisierung des Politischen, stattdessen soll durch die Befreiung des politischen Körpers aus seiner globalökonomischen Unterwerfung die Geburt eines antidemokratischen Nationalismus hervorgehen. Der deutsche Nationalsozialismus setzte Marinettis Programm um: "Deutsche Lebensmittel sollten gekauft werden, der saisonale Ernterhythmus die Kost prägen, um die Importquoten zu vermindern. Ernährungswissenschaftler sekundierten, (und) forderten die einfache, billige Kost der Vorfahren." (Anm. 25) Auf diese Weise forcierte das Hitler-Regime tatsächlich eine totalitäre Erneuerung der "Volksernährung".

Wie auch der beliebte und mittlerweile globalisierte "Volkswagen", samt "Autobahn", so geht auch das "Vollkornbrot" auf die NS-Zeit zurück. Die Vollkornbrotpolitik der Nationalsozialisten sollte den deutschen Volkskörper stärken. (Anm. 26) Jedoch nährte letztlich nicht das Vollwertbrot den kriegerischen und totalitären Gesellschaftskörper. Was die totalitären Strukturen unterfütterte, waren die technologischen Errungenschaften der modernen Industriekost – ganz wie die Futuristen vorausahnten. Die neuen Machthaber setzten auf Effizienz, auf klare Nährstoff- und Vitaminvorgaben. Neue Rohstoffe, etwa Lupinen und Soja, wurden getestet, neue Ersatzstoffe und Produkte entwickelt, insbesondere aber neue Konservierungstechniken entwickelt und eingesetzt. So wurde die Produktion von Tiefkühlkonserven des Jahres 1942 erst Anfang der 1960er Jahre wieder erreicht. (Anm. 27) Mindestens ein Drittel der Bevölkerung wurde in den letzten Kriegsjahren massenverpflegt, wofür eine Heerschar effizient geschulter Fachkräfte sorgte. Auch in der Nachkriegszeit setzt sich diese Vorherrschaft einer "technokratisch-stofflichen Sichtweise innerhalb der Ernährungswissen­schaft" fort, weil "die Versorgungsprobleme blieben – die Experten beider späteren deutschen Staaten waren größtenteils die Experten des NS-Regimes." (Spiekermann, ebd.)

Abschließend ist noch einmal auf Marinetti zurückzukommen und dessen faschistoiden Weltanschauung. In der Rechtfertigung des futuristischen Feldzugs gegen die Nudelgerichte kommt auch dessen Sexismus zum Tragen: "Die Pasta asciutta ist zudem unmännlich", so die Antifeministen, "weil der beschwerte und beengte Magen niemals der physischen Begeisterung für die Frau und der Möglichkeit, sie geradewegs zu besitzen, förderlich ist." (Die futuristische Küche: 32) Neben Technizismus und Nationalismus wird mit diesem Sexismus deutlich, dass eine maskuline Gewaltästhetik ein zentrales Ideologem der futuristischen Bewegung darstellt. Daher versteht sich ihre Zukunftsvision einer technologischen Automatisierung der Essensproduktion auch nicht als möglicher emanzipatorischer Befreiungsprozess der Frauen von der traditionellen Küchenarbeit, wie dies in den politischen Forderungen des zeitgenössischen Feminismus artikuliert wird. (Anm. 28) Ebenso wenig wird der gastrosophische Aufbruch zu neuen Küchenhorizonten, um den Geschmack und die Begeisterung für das Essen wieder zu wecken, mit der expliziten Vorstellung einer Emanzipation des kulinarisch untätigen und unmündigen Mannes vorgetragen, obwohl die individuelle (also genderfreie, transsexuelle) Kochkunst die ethische Voraussetzung dafür ist. Die Leckerbissen des technoiden Food-Futurismus sollen einzig und allein der Befriedigung viriler Machtfülle und Körperkraft dienen. (Anm. 29)

In der politischen Symbolik der propagierten Machtküche erweist sich eine gewisse konzeptuelle Nähe zur traditionellen Grande Cuisine als repräsentatives Herrschaftsinstrument. Während jedoch der Kochkönig Antonin Carême beispielsweise zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Wirtschaftsmacht des entstehenden Kapitalismus in monumentalen Sättigungsformen veranschaulicht, (Anm. 30) wollen die Futuristen mit ihrem totalitären Ernährungsprogramm einen kampfbereiten neuen Menschentyp schaffen, der sich einem Krieg verherrlichenden Nationalismus zu opfern bereit ist. Im Gegensatz zu Carême, der die Kulinarik zu einer erweiterten Architektur stilisiert, um in der Tafelpracht den monumentalen Triumph des Bestehenden symbolisch nachzubauen, schlagen die Futuristen einen radikal anderen Weg einer Instrumentalisierung der Küche ein: Sie totalisieren ihre Kunst zu der Baukunst einer rassistischen "Skulptur", um einen aggressiven, starken, robusten, erfindungsreichen, kreativen, männlichen Menschen und Nationalcharakter hervorzubringen. Diesem politischen Körper, zu dessen Wachstum die futuristische Nationalküche mit ihren nährenden Mitteln stimulieren will, wird, Marinetti zufolge, der Sieg in dem zu erwartenden und ersehnten Krieg gewiss sein. (vgl. Die futuristische Küche: 25) Damit pervertiert die futuristische Revolution der Kochkunst zur totalitären Ideologie des Kanonfutters: Kunst und Leben versöhnen sich für die kriegerische Erneuerung, in einer gefeierten Kampfmaschine und maskulinen Gewaltästhetik. Folgerichtig, muss man leider sagen, wird Marinetti im Jahre 1933 zum Kulturminister ernannt – vom italienischen Diktator Mussolini.

Angesichts dieser monströsen Begeisterung für ein rassistisches Weltbild überrascht es nicht, dass die Künstlerbewegung des italienischen Futurismus, samt der komplizierten Ambivalenz ihrer "Revolution der Kochkunst", innerhalb der modernen Kunstgeschichte kaum Erwähnung finden. (Anm. 31) In Bezug auf die bizarre Figur Filippo Marinetti kann mit gutem Grund von der "Kompromittierung seiner theoretischen und philosophischen Kühnheiten im Mussolini-Faschismus" gesprochen werden (Onfray, Die genießerische Vernunft, a.a.O., 21). Daher ist auch verständlich, warum der historische Aufstieg der artistischen Gastrosophie lieber mit einem anderen Künstler, einem anderen Programm und einem anderen Namen in Beziehung gebracht wird, nämlich der "Eat-art" von Daniel Spoerri und dem in den 1960er Jahren einsetzenden Neoavantgardismus des "Neuen Realismus". Dennoch sollte bei aller aufgezeigten Ambivalenz die alltagskulturellen Ansätze und eat-artistischen Experimente der futuristischen Künstlerküche nicht unter den Tisch gekehrt werden; nicht zuletzt auch wegen des enormen Einflusses ihren neuen Ausdrucksformen und performative Strategien auf das zeitgenössische Kunstgeschehen.

Anmerkungen

  1. Filippo Tommaso Marinetti und Fillia, Die futuristische Küche, Stuttgart 1983; fortan zitiert als: Die futuristische Küche
  2. Zur Verbreitung der Bewegung bediente sich Marinetti revolutionär neuer Strategien der künstlerischen Praxis, die seitdem jede Form von interventionistischer Kunst kennzeichnen: nämlich die Veranstaltung publikumbezogener Aktionen, Vortragsperformances, Taktiken der kunstkritischen Polemik und politischer Provokation, aber auch den Betrieb eigener Ausstellungsräume oder der systematische Einsatz von werbewirksamen Flugblättern, Plakaten und anderen Mitteilungsmedien (damals v.a. das Radio). Die Künstlerbewegung des Futurismus beeinflusste alle maßgeblichen Strömungen der modernen Avantgarde, wie dem Expressionismus, Dadaismus, Surrealismus und Konstruktivismus. Namentlich Alfred Döblin, Fernand Léger El Lissitzky und Marcel Duchamp, dem Anti-Futuristen, verdanken der futuristischen Revolution der Kunst entscheidende Anregungen.
  3. Freilich liegt der kunsthistorische Anfang der realen Verbindung von Kunst und Geschmack, Ästhetik und Küche nicht bei den Futuristen. Denn selbstverständlich sind bereits Apicius, Taillevent, Pierre de Lune und Carême, etc. echte Kochkünstler gewesen. Aber ihre Kunst entsteht zu einer Zeit, die es ihnen nicht gestattete, im gleichen Maß und auf ähnliche Weise in eine ästhetischen Logik einzutreten, wie dies erst mit der Avantgardebewegung zum Anfang des 20. Jahrhunderts möglich wird. "Die Küche", stellt Michel Onfray richtig, "ist eine zeitgenössische Kunst, die erst seit der ästhetischen Revolution, die von Marcel Duchamp ... ausgelöst wurde, in der Lage ist, sich in die Galaxie der schönen Kunst einzuschreiben. (Michel Onfray, Die genießerische Vernunft, Baden-Baden Zürich 1996:198)
  4. Hansgeorg Schmidt-Bergmann, Futurismus. Geschichte, Ästhetik, Dokumente, Reinbek bei Hamburg 1993: 19
  5. Vgl. Kunstforum International, Lebenskunstwerke, Bd. 142, 1998 und Kunstforum International, Lebenskunst als Real Life, Bd. 143, 1999; Wilhelm Schmid, Auf der Suche nach einerneuen Lebenskunst. Die Frage nach dem Grund und die Neubegründung der Ethik bei Foucault, Frankfurt/M 1991
  6. Elisabeth Hartung, Einleitung, In. Daniel Spoerri presents Eat-art, a.a.O.: 17
  7. Aktuelle Fortsetzung findet diese klubkulturelle Form von Koch-Kunst heute in diversen Tresenküchen als kulinarische Gegenöffentlichkeiten des Großstadtlebens, wie beispielsweise die "Teufelsküche" oder der "Kochsalon" in Hamburg. Dessen Programm ist, wie der ortskundige Kulturtheoretiker Roger Behrens erläutert, "nicht erst das Essen zum Genuss zu machen, sondern schon das Kochen. Das Kochen also nicht in die Küche abzudrängen, nein, den Herd zur offenen Bühne zu machen. Nicht als Imbiss, sondern Imbiss – das ist das Konzept von Telse Buss’ Kochsalon, unweit von Hafenstraße und Pudel Club. ... Telse Buss’ leckere Gerüchteküche ist nicht nur Gesamtkunstkonzept, sondern auch soziale Praxis; zumindest lässt sich hier bei gutem Essen und leichter Musik schwer diskutierend die nötige soziale Praxis in Angriff nehmen: Nach dem Essen sollst Du ruh’n, oder Widerstand organisieren." (R. Behrens, Musik von den Herdplatten, taz 16.08.2002)
  8. Adorno, Ästhetische Theorie, Frankfurt/M 1973: 26
  9. Das Konstruktionsprinzip eines Kunstwerks genügt nur, sofern es, wie Adorno schreibt, "aus dem zu Konstruierenden, den mimetischen Impulsen, aufsteigt, ihnen sich anschmiegt, anstatt dass (es) ihnen souverän zudiktiert würde. Form objektiviert die einzelnen Impulse nur, wenn sie ihnen dorthin folgt, wohin sie von sich aus wollen." (Adorno, Ästhetische Theorie, a.a.O.: 180) Für die konzeptuelle Wahrheitsgehalt eines Kunstwerks gilt daher: "Ästhetische Einheit empfängt ihre Dignität durchs Mannigfaltige selbst. Sie lässt dem Heterogenen Gerechtigkeit widerfahren." (Adorno, ebd. 285)
  10. Zur Darstellung dieser kochkünstlerischen Gegenküche siehe: Kap Jeder Mensch ist ein Kochkünstler.
  11. Herbert Marcuse, Die Neue Sensibilität, In: Ders., Versuch über die Befreiung, Frankfurt/M 1972, 43-76; Heinz Paetzold, Profile der Ästhetik. Der Status von Kunst und Architektur in der Postmoderne, Wien 1989: 219ff.
  12. Beispielsweise die von Slow-Food oder Eurotoques organisierten Geschmackskurse an Schulen oder in Seminaren der Erwachsenenbildung. www.eurotoques.de, www.slowfood.de
  13. Wolfgang Lechner, Der Chemiker, Die Zeit Nr. 45, 2001; Ferran Adrià; Die neue Küche Kataloniens. Mediterrane Esskultur zwischen Tradition und Phantasie, München 1999; Ferran Adrià , Juli Soler, Albert Adrià , El Bulli 1998-2002, o.O., 2003
  14. Der Spiegel, Im Mund explodiert, 52/2000
  15. Insofern knüpft die Aktion einer temporären Gastronomie, die in einem Pavillon während der Biennale in Venedig 2001 Rikrit Tiravanija in Zusammenarbeit mit Tobias Rehberger und Olafur Eliason installiert, direkt an diese eat-artistischen Ursprünge an. (Vgl. Hartung, Einleitung, In: Daniel Spoerri presents Eat-art, a.a.O. 17)
  16. Die gestylte Speisekarte bietet vielerlei Delikatessen der vereinten Kreativität der Futuristen auf: 1. Sämtliche Fontänen, 2. Alkoholkarussell, 3. Simultan-Vorspeisen, 4. Appetitanreger, 5. Veränderliche Vorreden, 6. Ganzreis, 7. Die Nahrungsinseln, 8. Äquator + Nordpol, 9. Luftspeise, als Überraschung: Hühnchen aus Stahl, 10. Fleischplastik, 11. Maschine zum Kosten, 12. Frühlingsparadox, 13. Elastiksüß.
  17. Ähnliche Gesamtkunstwerke fanden, unter anderen, am 22. November 1931 in Chiavari, im Rahmen einer Ausstellung zur Futuristischen Kunst, mit 300 Personen statt, oder am 12. Dezember 1931 ("Das große Luftbankett") in Bologna im Journalistenclub.
  18. Rumohr, Geist der Kochkunst, 28
  19. Dieser absurde Zusammenhang zwischen Feuerbachs Gastrosophie und Marinettis revolutionärer Diätetik ist dem inhaftierten Marxisten Antonio Gramsci nicht entgegen: "Der Satz Feuerbachs: ‚Der Mensch ist, was er isst’, kann, an sich, verschieden interpretiert werden. Grobe und törichte Interpretation: - der Mensch ist von Mal zu Mal das, was er materiell isst, d.h. die Speisen haben einen unmittelbar bestimmenden Einfluss auf die Denkweise. Erinnerung an die Behauptung von Amadeo [Bordiga], dass, wenn man zum Beispiel wüsste, was ein Mensch vor einer Rede gegessen hat, man besser in der Lage wäre, diese Rede zu beurteilen. Diese Behauptung ist kindisch und hat tatsächlich auch nichts mit positiver Wissenschaft zu tun, da das Gehirn nicht von Bohnen und Trüffeln ernährt wird: sondern erst wenn die Speisen in assimilierbare und homogene Substanzen verwandelt sind, die potentiell "dieselbe Natur" der Gehirnmoleküle haben, ersetzen sie diese. Wäre diese Behauptung richtig, dann hätte die Geschichte ihre entscheidende Matrix in der Küche, und Revolutionen würden zeitlich mit den radikalen Veränderungen der Ernährung der Massen zusammenfallen. Geschichtlich ist das Gegenteil richtig: d.h. es sind die Revolutionen und der gesamtgesellschaftliche Prozess, die die Ernährung und die daraus sich ergebenden "Geschmäcker" bei der Auswahl der Speisen geändert haben. Nicht die regelmäßige Getreideaussaat haben das Nomadentum beendet, sondern die dem Nomadentum hinderlichen Umstände haben zur regelmäßigen Aussaat geführt, etc. (Vergleiche diese Behauptung Feuerbachs mit der Kampagne von Marinetti gegen die Pastasciutta)." Gramsci, Philosophie der Praxis, Frankfurt/M 1967: 156
  20. Vgl. Harald Lemke, Feuerbachs Stammtischthese, In: Aufklärung und Kritik, 1/2004, 117-141
  21. André Breton, Die Manifeste des Surrealismus, Reinbek bei Hamburg 1986: 68
  22. Breton, ebd. 68. Stattdessen hält Breton, trotz vieler Bedenken und Zweifel, an der marxistischen Revolutionstheorie fest und sucht zögerlich den Kontakt zur kommunistischen Arbeiterpartei – freilich, um sich zuletzt doch die Aussichtslosigkeit dieses Ansatzes, eine praktische Veränderung der Gesellschaft zu denken, eingestehen zu müssen.
  23. vgl. Uwe Spiekermann, Bruch mit der alten Ernährungslehre. Die Entdeckung der Vitamine und ihre Folgen, Internationaler Arbeitskreis für Kulturforschung des Essens. Mitteilungen H. 4, 16-20, 1999
  24. Nietzscheanisch fällt indessen die futuristische Position zur Frage der vegetarischer Kost aus: "In unserer nächsten Proklamation zum »Heiligen Gaumen« wird ganz klar gesagt, daß man, solange die Chemie keine synthetischen Stoffe mit der Kraft von Fleisch und Wein gefunden hat, Fleisch und Wein gegen jeden Angriff verteidigen muß." (Die futuristische Küche: 74) Zu Nietzsche siehe: Harald Lemke, Nietzsches Wille zur Wurst, 2003
  25. Uwe Spiekermann, Der Naturwissenschaftler als Kulturwissenschaftler: das Beispiel Werner Kollaths, In: Gerhard Neumann, Alois Wierlacher, Rainer Wild (Hg.), Essen und Lebensqualität. Natur- und kulturwissenschaftliche Perspektiven, New York Frankfurt/M, 2001: 247-274, hier: 252
  26. W. Kollath, Vernünftige Ernährung und ihre Propaganda in der Schule. Gesundheit und Erziehung 48, 1935. Spiekermann stellt klar, dass weniger eine Sorge um das gesundheitliche Wohl der Menschen, sondern handgreifliche ökonomische Versorgungsprobleme und die drohende Hungersnot die eigentlichen Ursachen dafür waren, "die in Deutschland Ernährungsweisen erzwangen" (Spiekermann, ebd.), die dann lediglich über einen Gesundheitsdiskurs propagiert wurden.
  27. Vgl. Gunther Hirschfelder, Europäische Esskultur, New York Frankfurt/M, 2001: 225ff
  28. Pauline Boudry, Brigitta Kuster, Renate Lorenz (Hg.), Reproduktionskonten fälschen. Heterosexualität Arbeit & Zuhause, Berlin 2000
  29. Vom Futurismus gehen erkennbar Impulse zu Visionen des Maschinenmenschen und der Menschmaschine aus, die die globalisierte Kulturindustrie mit ihrer aggressiven Ästhetik, unterstützt von neuen Technologien, heute in die Realität umzusetzen in Begriff ist.
  30. Michel Onfray, Die genießerische Vernunft, a.a.O.: 141-171
  31. In einer groß angelegten Studie zum Schwerpunktthema Essen (und Trinken) wird die futuristische Küche an keiner Stelle erwähnt, siehe: Kunstforum International, Essen und Trinken I, Bd. 159, 2002 und Kunstforum International, Die große Enzyklopädie – Essen und Trinken A-Z, Bd. 160, 2002

Anhang: "Il Manifesto della cucina futurista"

Il Futurismo italiano, padre di numerosi futurismi e avanguardisti esteri, non rimane prigioniero delle vittorie mondiali ottenute 'in venti anni di grandi battaglie artistiche politiche spesso consacrate col sangue' come le chiamò Benito Mussolini. Il Futurismo italiano affronta ancora l’impopolarità con un programma di rinnovamento totale della cucina.

Fra tutti i movimenti artistici letterari è il solo che abbia per essenza l’audacia temeraria. Il novecentismo pittorico e il novecentismo letterario sono in realtà due futurismi di destra moderatissimi e pratici. Attaccati alla tradizione, essi tentano prudentemente il nuovo per trarre dall’una e dall’altro il massimo vantaggio.

Contro la pastasciutta. Il Futurismo è stato definito dai filosofi 'misticismo dell’azione', da Benedetto Croce 'antistoricismo', da G. Aranha 'liberazione dal terrore estetico', da noi 'orgoglio italiano novatore', formula di 'arte-vita originale', 'religione della velocità', 'massimo sforzo dell’umanità verso la sintesi', 'igiene spirituale', 'metodo d’immancabile creazione', 'splendore geometrico veloce', 'estetica della macchina'. Antipraticamente quindi, noi futuristi trascuriamo l’esempio e il mònito della tradizione per inventare ad ogni costo un nuovo giudicato da tutti pazzesco.

Pur riconoscendo che uomini nutriti male o grossolanamente hanno realizzato cose grandi nel passato, noi affermiamo questa verità: si pensa si sogna e si agisce secondo quel che si beve e si mangia.

Consultiamo in proposito le nostre labbra, la nostra lingua, il nostro palato, le nostre papille gustative, le nostre secrezioni glandolari ed entriamo genialmente nella chimica gastrica.

Noi futuristi sentiamo che per il maschio la voluttà dell’amare è scavatrice abissale dall’alto al basso, mentre per la femmina è orizzontale a ventaglio. La voluttà del palato è invece per il maschio e per la femmina sempre ascensionale dal basso all’alto del corpo umano. Sentiamo inoltre la necessità di impedire che l’Italiano diventi cubico massiccio impiombato da una compattezza opaca e cieca. Si armonizzi invece sempre più coll’italiana, snella trasparenza spiralica di passione, tenerezza, luce, volontà, slancio, tenacia eroica. Prepariamo una agilità di corpi italiani adatti ai leggerissimi treni di alluminio che sostituiranno gli attuali pesanti di ferro legno acciaio.

Convinti che nella probabile conflagrazione futura vincerà il popolo più agile, più scattante, noi futuristi dopo avere agilizzato la letteratura mondiale con le parole in libertà e lo stile simultaneo, svuotato il teatro della noia mediante sintesi alogiche a sorpresa e drammi di oggetti inanimati, immensificato la plastica con l’antirealismo, creato lo splendore geometrico architettonico senza decorativismo, la cinematografia e la fotografia astratte, stabiliamo ora il nutrimento adatto ad una vita sempre più aerea e veloce.

Crediamo anzitutto necessaria:

  1. L’abolizione della pastasciutta, assurda religione gastronomica italiana. Forse gioveranno agli inglesi lo stoccafisso, il roast-beef e il budino, agli olandesi la carne cotta col formaggio, ai tedeschi il sauerkraut, il lardone affumicato e il cotechino; ma agli italiani la pastasciutta non giova. Per esempio, contrasta collo spirito vivace e coll’anima appassionata generosa intuitiva dei napoletani. Questi sono stati combattenti eroici, artisti ispirati, oratori travolgenti, avvocati arguti, agricoltori tenaci a dispetto della voluminosa pastasciutta quotidiana. Nel mangiarla essi sviluppano il tìpico scetticismo ironico e sentimentale che tronca spesso il loro entusiasmo. Un intelligentissimo professore napoletano, il dott. Signorelli, scrive: “A differenza del pane e del riso la pastasciutta è un alimento che si ingozza, non si mastica. Questo alimento amidaceo viene in gran parte digerito in bocca dalla saliva e il lavoro di trasformazione è disimpegnato dal pancreas e dal fegato. Ciò porta ad uno squilibrio con disturbi di questi organi. Ne derivano: fiacchezza, pessimismo, inattività nostalgica e neutralismo”.
  2. Invito alla chimica. La pastasciutta, nutritivamente inferiore del 40% alla carne, ai pesce, ai legumi, lega coi suoi grovigli gli italiani di oggi ai lenti telai di Penelope e ai sonnolenti velieri, in cerca di vento. Perchè opporre ancora il suo blocco pesante all’immensa rete di onde corte lunghe che il genio italiano ha lanciato sopra oceani e continenti, e ai paesaggi di colore forma rumore che la radio-televisione fa navigare intorno alla terra? I difensori della pastasciutta ne portano la palla o il rudero nello stomaco, come ergastolani o archeologi. Ricordatevi poi che l’abolizione della pastasciutta libererà l’Italia dal costoso grano straniero e favorirà l’industria italiana del riso. b) L’abolizione del volume e del peso nel modo di concepire e valutare il nutrimento.
  3. L’abolizione delle tradizionali miscele per l’esperimento di tutte le nuove miscele apparentemente assurde, secondo il consiglio di Jarro Maincave e altri cuochi futuristi.
  4. L’abolizione del quotidianismo mediocrista nei piaceri del palato. Invitiamo la chimica al dovere di dare presto al corpo le calorie necessarie mediante equivalenti nutritivi gratuiti di Stato, in polvere o pillole, composti albuminoidei, grassi sintetici e vitamine. Si giungerà così ad un reale ribasso del prezzo della vita e dei salari con relativa riduzione delle ore di lavoro. Oggi per duemila kilowatt occorre soltanto un operaio. Le macchine costituiranno presto un obbediente proletariato di ferro acciaio alluminio al servizio degli uomini quasi totalmente alleggeriti dal lavoro manuale. Questo, essendo ridotto a due o tre ore, permette di perfezionare e nobilitare le altre ore col pensiero le arti e la pregustazione di pranzi perfetti.

In tutti i ceti i pranzi saranno distanziati ma perfetti nel quotidianismo degli equivalenti nutritivi.

Il pranzo perfetto esige:

  1. Un’armonia originale della tavola (cristalleria vasellame addobbo) coi sapori e colori delle vivande.
  2. L’originalità assoluta delle vivande. Il “Carneplastico”. Esempio: Per preparare il Salmone dell’Alaska ai raggi del sole con salsa Marte, si prende un bel salmone dell’Alaska, lo si trancia e passa alla griglia con pepe e sale e olio buono finchè è bene dorato. Si aggiungono pomodori tagliati a metà preventivamente cotti sulla griglia con prezzemolo e aglio. Al momento di servirlo si posano sopra alle trancie dei filetti di acciuga intrecciati a dama. Su ogni trancia una rotellina di limone con capperi. La salsa sarà composta di acciughe, tuorli d’uova sode, basilico, olio d’oliva, un bicchierino di liquore italiano Aurum, e passata al setaccio. (Formula di Bulgheroni, primo cuoco della Penna d’Oca). Esempio: Per preparare la Beccaccia al Monterosa salsa Venere, prendete una bella beccaccia, pulitela, copritene lo stomaco con delle fette di prosciutto e lardo, mettetela in casseruola con burro, sale, pepe, ginepro, cuocetela in un forno molto caldo per quindici minuti innaffiandola di cognac. Appena tolta dalla casseruola posatela sopra un crostone di pane quadrato inzuppato di rhum e cognac e copritela con una pasta sfogliata. Rimettetela poi nel forno finchè la pasta è ben cotta. Servitela con questa salsa: un mezzo bicchiere di marsala e vino bianco, quattro cucchiai di mirtilli, della buccia di arancio tagliuzzata, il tutto bollito per 10 minuti. Ponete la salsa nella salsiera e servitela molto calda. (Formula di Bulgheroni, primo cuoco della Penna d’Oca).
  3. L’invenzione di complessi plastici saporiti, la cui armonia originale di forma e colore nutra gli occhi ed ecciti la fantasia prima di tentare le labbra. Esempio: Il Carneplastico creato dal pittore futurista Fillìa, interpretazione sintetica dei paesaggi italiani, è composto di una grande polpetta cilindrica di carne di vitello arrostita ripiena di undici qualità diverse di verdure cotte. Questo cilindro disposto verticalmente nel centro del piatto, è coronato da uno spessore di miele e sostenuto alla base da un anello di salsiccia che poggia su tre sfere, dorate di carne di pollo. Equatore + Polo Nord. Esempio: Il complesso plastico mangiabile Equatore + Polo Nord creato dal pittore futurista Enrico Prampolini è composto da un mare equatoriale di tuorli rossi d’uova all’ostrica con pepe sale limone. Nel centro emerge un cono di chiaro d’uovo montato e solidificato pieno di spicchi d’arancio come succose sezioni di sole. La cima del cono sarà tempestata di pezzi di tartufo nero tagliati in forma di aeroplani negri alla conquista dello zenit. Questi complessi plastici saporiti colorati profumati e tattili formeranno perfetti pranzi simultanei.
  4. L’abolizione della forchetta e del coltello per i complessi plastici che possono dare un piacere tattile prelabiale.
  5. L’uso dell’arte dei profumi per favorire la degustazione. Ogni vivanda (deve essere preceduta da un profumo che verrà cancellato dalla tavola mediante ventilatori.
  6. L’uso della musica limitato negli intervalli tra vivanda e vivanda perchè non distragga la sensibilità della lingua e del palato e serva ad annientare il sapore goduto ristabilendo una verginità degustativa.
  7. L’abolizione dell’eloquenza e della Politica a tavola.
  8. L’uso dosato della poesia e della musica come ingredienti improvvisi per accendere con la loro intensità sensuale i sapori di una data vivanda.
  9. La presentazione rapida tra vivanda e vivanda, sotto le nari e gli occhi dei convitati, di alcune vivande che essi mangeranno e di altre che essi non mangeranno, per favorire la curiosità, la sorpresa e la fantasia.
  10. La creazione dei bocconi simultanei e cangianti che contengano dieci, venti sapori da gustare in pochi attimi. Questi bocconi avranno nella cucina futurista la funzione analogica immensificante che le immagini hanno nella letteratura. Un dato boccone potrà riassumere una intera zona di vita, lo svolgersi di una passione amorosa o un intero viaggio nell’Estremo Oriente.
  11. Una dotazione di strumenti scientifici in cucina: ozonizzatori che diano il profumo dell’ozono a liquidi e a vivande, lampade per emissione di raggi ultravioletti (poichè molte sostanze alimentari irradiate con raggi ultravioletti acquistano proprietà attive, diventano più assimilabili, impediscono il rachitismo nei bimbi, ecc.), elettrolizzatori per scomporre succhi estratti ecc. in modo da ottenere da un prodotto noto un nuovo prodotto con nuove proprietà, mulini colloidali per rendere possibile la polverizzazione di farine, frutta secca, droghe, ecc., apparecchi di distillazione a pressione ordinaria e nel vuoto, autoclavi centrifughe, dializzatori. L’uso di questi apparecchi dovrà essere scientifico, evitando p. es. l’errore di far cuocere le vivande in pentole a pressione di vapore, il che provoca la distruzione di sostanze attive (vitamine, ecc.) a causa delle alte temperature. Gli indicatori chimici renderanno conto dell’acidità e della basicità degli intingoli e serviranno a correggere eventuali errori: manca di sale, troppo aceto, troppo pepe, troppo dolce”.

(Gazzetta del Popolo di Torino, 28.12.1930)

Der Autor

Philosoph, Studium der Philosophie und Geschichte in Konstanz, Hamburg und Berkeley / Kalifornien; 1993 Magister Artium zum Thema "Praxis politischer Freiheit. Zur Bedeutung von Hannah Arendts Theorie des politischen Handelns für eine aktuelle Gesellschaftstheorie" bei Prof. Martin Seel in Hamburg; 1993-1995 Postgraduate Fellow an der Jan van Eyck Akademie für Bildende Kunst, Design und Theorie, Maastricht / Niederlande; 1999 Promotion zum Thema "Ethik des Freundseins. Zur Philosophie des guten Lebens" bei Prof. Axel Honneth in Frankfurt/M; 2006 Habilitation zum Thema "Ethik des Essens. Einführung in die Gastrosophie"; 2004-2006 Humboldt-Stipendiat und Forschungsaufenthalt an der Universität Kyoto / Japan; derzeit Dozent am Institut für Kulturtheorie / Universität Lüneburg.

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Texte zu Kunst und Philosophie
ISSN 1437-3777